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Myanmar: Beben, Bomben und Zensur
Auf die humanitäre Katastrophe in Myanmar reagiert die Militärjunta mit Luftangriffen und einer strikten Kontrolle der Medienberichterstattung
Das schwere Erdbeben der Stärke 7,7, das Myanmar am Freitag erschütterte, ist nur die jüngste humanitäre Katastrophe für die Menschen, die seit vier Jahren unter einer grausamen Militärdiktatur leiden. Die verheerendsten Auswirkungen des Bebens betreffen die Regionen Magway, Sagaing, Bago und Naypyidaw, Teile des Shan-Staates sowie Stadt und Region Mandalay. Mit Ausnahme der Millionenstadt Mandalay hat das Militärregime aber in einem großen Teil der vom Beben betroffenen Regionen Zentralmyanmars nichts mehr zu melden.
Nachdem seit Oktober 2023 die bewaffneten Widerstandsmilizen der ethnischen Minderheiten das Militär in Rakhine, Chin, Kachin, Shan, Kayah und Karen – die im Halbkreis um Zentralbirma liegen – in die Defensive getrieben hat, bringen sie seit Monaten zusammen mit den »Volksverteidigungskräften« der demokratischen Untergrundregierung »National Unity Government« (NUG) auch immer mehr Gebiete in Zentralmyanmar unter ihre Kontrolle.
Militärregierung erschwert Hilfe aus dem Ausland
Der Militärputsch vom Februar 2021 und die zunehmende Spaltung des Landes in Junta- und Widerstandsgebiete hat Auswirkungen auf die humanitäre Hilfe für die Erdbebenopfer. »Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Widerstandsgruppen Helfer und Hilfstransporte der Junta in ihr Gebiet lassen und umgekehrt«, sagt David Mathieson, im thailändischen Chiang Mai lebender Myanmar-Experte, dem »nd«.
Exilgruppen der myanmarischen Zivilgesellschaft als auch der »Sonderbeirat für Myanmar« (SAC-M) fordern internationale Geberländer und -organisationen auf, ihre Hilfen nicht – wie von der Junta verlangt – nur über offizielle Kanäle zu leiten. Sie erinnerten an die jüngsten Naturkatastrophen, Zyklon Mocha und Taifun Yagi, bei denen die Junta den Zugang für humanitäre Hilfe unterbrach, behinderte und manipulierte.
»ASEAN, Myanmars Nachbarn, das Länderteam der Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft müssen daher sicherstellen,dass Hilfe, Unterstützung und Ausrüstung direkt an die ›Nationale Einheitsregierung‹, ethnische Organisationen (…) weitergeleitet werden, damit sie alle bedürftigen Gemeinden erreichen«, betont SAC-M. SAC-M ist eine Gruppe unabhängiger internationaler Experten wie Yanghee Lee, ehemalige UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte in Myanmar.
Rebellen erklären einseitigen Waffenstillstand
Die NUG hatte am Sonntag in den Erdbebenregionen einen einseitigen Waffenstillstand erklärt. Tom Andrews, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in Myanmar, forderte die Junta vergeblich auf, ebenfalls einen Waffenstillstand auszurufen. Doch die Junta lässt ihre Luftwaffe weiter zivile Ziele bombardieren, auch in der Nähe des Erdbebengebiets.
In Mandalay sind viele Gebäude eingestürzt. Die Menschen wurden verschüttet und verletzt, es fehlt an Krankenhäusern und Ärzten. Weil sich viele Ärzte und Klinikbeschäftigte dem Streik gegen den Putsch angeschlossen hatten, ließ die Junta private Krankenhäuser schließen und zahlreiche Ärzte verhaften. Erst Anfang März schlossen die Militärs in Mandalay elf Kliniken.
Wahres Ausmaß der Schäden noch völlig unklar
Bilder und Videos in den sozialen Medien zeigen die Zerstörung in Mandalay. Mehrstöckige Gebäude und viele buddhistische Tempel sind eingestürzt oder einfach zur Seite gekippt. Wenig Informationen gibt es hingegen über die Lage in den ländlichen Gebieten, obwohl rund die Hälfte der durch den Bürgerkrieg 3,5 Millionen Binnenvertriebenen in den zentralen und nordwestlichen Teilen von Myanmar leben, die am stärksten von dem Beben betroffen sind.
Sarkastisch schreibt ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation »Free Burma Rangers«: »Wir haben das Erdbeben im südlichen Shan-Staat deutlich gespürt. Wir befanden uns im Dschungel, wo sich fast alle Binnenvertriebenen versteckt haben. Obwohl der Boden bebte und die Bäume schwankten, wurde niemand verletzt – denn sie waren bereits aus ihren Häusern vertrieben worden.«
In gewohnt diktatorischer Manier verweigert die Junta ausländischen Medien die Einreise zur Berichterstattung über die Folgen des Erdbebens. Verhindern kann sie Berichte trotzdem nicht. Myanmar-Experte David Mathieson betont: »Es gibt in Mandalay viele mutige Untergrundjournalisten, die für myanmarische Exilmedien als auch für internationale Medien arbeiten.«
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