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Gaza: Aushungern und ausdehnen
Die jüngsten Angriffe in Gaza durch Israel zeigen die expansorische Strategie der politischen Klasse in Tel Aviv
Knapp zwei Wochen, nachdem im Gazastreifen Journalisten verbrannt sind, kommen nun vermutlich auch kleine Kinder in ihren Zelten auf diese grausame Weise um. Das zeigen auf Social Media kursierende, bisher nicht verifizierte Videos, die sich aber mit den Berichten aus der Nacht decken: Nach Angaben des Zivilschutzes und von Rettungskräften vor Ort hat die israelische Armee bei mehreren Angriffen auf Nord- und Südgaza mindestens 35 Menschen getötet. 16 davon starben demnach bei Luftschlägen auf Zelte im Dorf al-Mawasi bei Khan Junis, einer ausgewiesenen humanitären Zone, in denen Vertriebene wohnen. Die meisten Toten dort seien Frauen und Kinder, 23 weitere Menschen seien teils schwer verletzt, heißt es. Von dort sollen laut palästinensicher Medien auch die Videos stammen, die kleine, vollständig verkohlte Körper zeigen.
Der jüngste Angriff folgte nur Stunden auf die neuen Ankündigungen des israelischen Verteidigungsministers Israel Katz, 30 Prozent des Gazastreifens dauerhaft in eine für Palästinenser*innen nicht zugängliche »Pufferzone« umzuwandeln zu wollen. Zudem sollen weiterhin keine Hilfs- und Lebensmittellieferungen in den vollkommen umschlossenen und von Importen abhängigen Küstenstreifen gelassen werden. Übersetzt bedeutet das: dauerhafte Besatzung, Aushungerung der Bevölkerung und permanente Angst vor Bomben auf Zelte, in denen ein Großteil der Menschen mittlerweile aufgrund von Vertreibung und Zerstörung leben muss. Drei militärische Strategien also, die völkerrechtswidrig sind und Kriegsverbrechen darstellen. Die letzten Hilfslieferungen haben den Gazastreifen übrigens vor eineinhalb Monaten erreicht.
»Stück für Stück«
All das ist nicht neu. Bemerkenswert aber ist, dass die vielen Ankündigungen und deren Umsetzung zeitlich so rasch aufeinanderfolgen. Zuletzt hat das Büro von Katz mitteilen lassen, dass Israel nun auch die dauerhafte militärische Präsenz in den eroberten Gebieten im Libanon und in Syrien beabsichtigt – als »Sicherheitszonen«, wie sie etwa in Dschenin im besetzten Westjordanland schon geschaffen wurde.
Was aber eine Sicherheitszone auf der einen Seite ist, bedeutet auf der anderen reale Expansion auf dem Gebiet souveräner und völkerrechtswidrig besetzter Staaten. Dass dies nicht etwa eine sicherheitspolitische Notwendigkeit, sondern ein offen erklärtes Ziel mehrerer Minister und Regierungsverantwortlicher in Israel ist, wird dabei oft vergessen. Der rechtsextreme Finanzminister Bezalel Smotrich etwa, der momentan als de facto Gouverneur an der formalen Annexion des Westjordanlands arbeitet, dürfte sich über die Ankündigungen aus Katz’ Büro freuen. Sie entsprechen nämlich seiner eigenen Strategie, sich »Stück für Stück« bis nach Damaskus auszubreiten.
Wie auch immer die Grenzen Israels in Zukunft real oder theoretisch aussehen mögen, Massaker wie das von Khan Junis zeigen: Araber*innen sollen darin möglichst nicht vorkommen.
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