Berlin: Flüchtlinge immer wieder Ziel von Angriffen

Attacken gegen Geflüchtete und Asylunterkünfte haben sich mehr als verdoppelt

Elf Tatverdächtige ordnet die Polizei der rechten Szene zu.
Elf Tatverdächtige ordnet die Polizei der rechten Szene zu.

Rasanter Anstieg: Politisch motivierte Angriffe auf Geflüchtete und Asylunterkünfte haben sich im vergangenen Jahr fast verdreifacht. Das geht aus der Antwort der Innenverwaltung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Ario Mirzaie und Jian Omar hervor, die »nd« vorliegt. Demnach kam es im vergangenen Jahr zu acht Angriffen auf Asylunterkünfte und 77 Angriffen auf Geflüchtete – insgesamt also 85 Angriffe. Im Jahr 2023 hatte es 32 Angriffe auf Geflüchtete und keinen Angriff auf Asylunterkünfte gegeben.

Insgesamt wurden bei den Angriffen 34 Menschen geschädigt. 37 Tatverdächtige wurden ermittelt. Gegen elf von ihnen lagen der Polizei Vorerkenntnisse aus dem Phänomenbereich politisch motivierter Kriminalität rechts vor.

Bei den Angriffen auf Asylunterkünfte handelte es sich überwiegend um Sachbeschädigungen. Größtenteils umfassen die Angriffe auf geflüchtete Personen volksverhetzende Beleidigungen, Bedrohungen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Die Polizei registrierte zudem Körperverletzungsdelikte und Sachbeschädigungen.

Mit wenigen Ausnahmen vermuten die Ermittler bei fast allen Angriffen einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Bei manchen Angriffen verortet die Polizei die Motivation zudem im Bereich Islamfeindlichkeit oder stellt einen Zusammenhang zu den Konflikten in der Ukraine oder in Israel und Palästina her. Teilweise zeigten die Angriffe laut der Aufschlüsselung des Senats auch eine Gegnerschaft zu politischen Gegnern oder eine homophobe Dimension.

Anfragesteller Jian Omar spricht angesichts der Angriffswelle von einem »Alarmsignal«. Für seinen Grünen-Fraktionskollegen Ario Mirzaie sind die Angriffe eine Folge des Rechtsrucks. »Populistische Debatten schaffen den Nährboden für Hass und Gewalt«, sagt er gegenüber »nd«. Das nach rechts verschobene gesellschaftliche Klima bestärke Gewalttäter in ihren Ansichten. »Sie fühlen sich legitimiert«, sagt Mirzaie.

Es lasse sich immer wieder beobachten, dass rechte Gruppen im Umfeld von Asylunterkünften mit Flugblättern, Plakaten und Stickern Stimmungsmache betrieben. Häufig ereigneten sich im Umfeld dieser Asylunterkünfte dann auch Angriffe. »Diese Propaganda ist die Vorstufe zu Gewalt«, so Mirzaie.

Für den Schutz der Asylunterkünfte werden nach Senatsangaben Sicherheitsunternehmen eingesetzt, die zumeist rund um die Uhr im Einsatz sind. Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten befinde sich in einem engen Austausch mit der Polizei, um örtliche Sicherheitskonzepte zu erarbeiten. Zudem gebe es Gewaltpräventionsmaßnahmen im Umfeld von Asylunterkünften.

Ario Mirazaie hält weitere Anstrengungen für nötig. Es brauche eine dauerhafte polizeiliche Präsenz an gefährdeten Asylunterkünften. Er fordert einen landesweiten Gipfel zur Sicherheitssituation angesichts des Erstarkens des Rechtsextremismus. »Der Druck auf die rechte Szene muss erhöht werden«, sagt er. Begleitet werden müsste dies von einer rhetorischen Abrüstung in der Migrationsdebatte. »Wir müssen zur Sachlichkeit und Menschenrechten zurückkehren«, so Mirzaie.

Dass Geflüchtete immer wieder Opfer von Angriffen werden, hänge auch mit ihrer Unterbringungssituation zusammen, sagt Mirzaie. »Massenunterkünfte exponieren Geflüchtete und machen sie so zu einem leichten Ziel«, sagt er. Würden die Flüchtlinge dezentral in Wohnungen untergebracht, brächte das mehr Sicherheit.

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