Vogelgezwitscher im Sprühnebel

Im Hallenbad Falkensee lässt sich unsere Kolumnistin die Kniescheiben vereisen und duscht mit dem Sound der Natur

Wie in der Natur: Im Falkenseer Hallenbad kann man sich beim Duschen vom Gezirpe des Gartenrotschwanzes begleiten lassen.
Wie in der Natur: Im Falkenseer Hallenbad kann man sich beim Duschen vom Gezirpe des Gartenrotschwanzes begleiten lassen.

Ein roter Doppelstockzug gleitet quer über die Glasfront. Wenig später fährt ein gelb-weiß-grüner ODEG-Zug in die andere Richtung, ebenso gemächlich. Eine 25-Meter-Bahn lang ist lediglich dezent getönter Himmel mit Sonne zu sehen, dann rast ein silbergrauer ICE durchs Bild. Während ich parallel zum Fenster schwimme, passieren Dutzende Züge die hoch liegenden Gleise.

Vor einigen Wochen saß ich selbst in einem ICE, von Hamburg kommend, und entdeckte dieses in helle Vertikalleisten gehüllte Gebäude mit der Aufschrift Hallenbad Falkensee. An einem warmen Apriltag fahre ich nun mit dem Regio RE2 vom Berliner Hauptbahnhof 19 Minuten bis Seegefeld, steige die Treppen hinunter und erreiche nach wenigen Schritten das kupferfarbene Bad.

Über Wasser

Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.

Rechterhand sind Schließfächer und ein Getränkeautomat platziert, links Cafeteria-Tische und -Stühle und der Durchgang zur Kegelbahn. An der Kasse erhalte ich gegen 18 Euro den Armband-Chip für drei Stunden Sauna plus Bad, und ab geht’s durch das Drehkreuz. Umgezogen wird sich in abschließbaren Kabinen, über einen Flur erreichen die Geschlechter getrennt die Duschen und schließlich zwei Schwimmbad-Abteilungen: links zwei Becken für kleinere Kinder, rechts ein großes zum Schwimmen und Springen. Der Drei-Meter-Turm ist gut belagert an diesem Ferienmittwoch, unter Anleitung springen die Halbwüchsigen mehr oder weniger kreischend ins Becken. Ein Vater-Sohn-Gespann lernt auf Bahn eins schwimmen, auf Bahn zwei dümpelt es sich gut, Bahn drei teilen wir uns zu zweit zum Sportschwimmen.

Eine halbe Stunde später: Ein Ball erscheint weit hinten über einem kupferbraunen Zaun. Und noch mal. Ein behelmter Kopf taucht daneben zwischen Birken auf und ab. Ein Spielplatz, ein Biker-Parkour? Vor dem Zaun eine große Wiese mit einigen Blumeninseln und einer Handvoll Liegen. Ich lehne mich in den Fensterrahmen und seufze.

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Nachdem ich 15 Minuten allein in der Panorama-Sauna verbracht habe und ausgiebig durch die riesige Scheibe in Richtung Norden gestaunt habe, teste ich das Kaltwasserbecken. Farbspiele wechseln sich darin ab, eine Starkwasserdüse vereist die Kniescheiben. Die dunkelblau gekachelten Duschen schmiegen sich in wellenförmige Nischen; eine verfügt über Programme mit Vogelgezwitscher, ich verweile lange bei Sprühnebel mit Gartenrotschwanz-Gezirpe. Erst in der Bio-Aroma-Sauna treffe ich eine ältere Frau, die zustimmt, dass es ungewöhnlich leer sei. Noch vor zwei Wochen habe sie den 15-Uhr-Aufguss zu dreißigst absolviert. Es liegt wohl am Wetter. Die Sonne scheint auf die nunmehr belagerten Liegen hinter dem Saunafenster, während die Dame erzählt, dass Fontane bei seiner Wanderung durch den Brieselang die Königseiche entdeckt habe; da gab es Falkensee noch nicht, das vor über 100 Jahren durch den Zusammenschluss der Dörfer Falkenhagen und Seegefeld entstand und heute die einwohnerreichste Stadt des Landkreises Havelland ist.

Mein letzter Blick aus dem roten Doppeldecker fällt auf das Bad und einen bunten Punkt dahinter: Ein Biker fliegt durch Birken.

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