»Verboten? Das ist doch kein Problem«

Auf tschechischen Grenzmärkten werden Rechtsextreme fündig

  • Hendrik Lasch, Hrensko
  • Lesedauer: 8 Min.
Auf tschechischen Grenzmärkten blüht der Handel mit rechten Szeneartikeln. Verstärkte Kontrollen und schärfere Gesetze bieten dem kaum Einhalt.
Band-T-Shirts, die auf Märkten in Tschechien verkauft werden, darunter auch Hemden der als kriminelle Vereinigung eingestuften »Landser«.
Band-T-Shirts, die auf Märkten in Tschechien verkauft werden, darunter auch Hemden der als kriminelle Vereinigung eingestuften »Landser«.

Welche Bands sind bei deutschen Jugendlichen derzeit am beliebtesten? Nimmt man das Angebot auf Märkten an der deutsch-tschechischen Grenze zum Maßstab, dann ergibt sich eine überraschende Hitliste. Erhältlich sind T-Shirts von »Ärzten« und »Toten Hosen«, dem Rapper Bushido und »Tokio Hotel« – und von zwei Rechtsrock-Bands. Die Hemden der »Böhsen Onkelz« und von »Landser« hängen an den Marktständen einträchtig neben solchen mit den Konterfeis von Madonna und den Simpsons. Einkleiden können sich Liebhaber der Bands in allen Größen und für alle Witterungsverhältnisse: Shirts sind ebenso zu haben wie Kapuzenjacken. Selbst Rucksäcke der »Landser« werden angeboten, für Mädchen in Zartrosa. Die für martialische Texte bekannten Rechtsrocker dürften kaum begeistert sein.

Ein Shirt für vier Euro
Die Märkte in den kleinen Grenzorten sind ein gutes Pflaster für Anhänger der rechten Szene. Zwar mutet es wie bittere Ironie an, dass vietnamesische Händler die Fanartikel einer Band verkaufen, die im Refrain eines ihrer Lieder dichtete: »Fidschi, Fidschi, gute Reise« – ein Text, den deutsche Neonazis auch bei Überfällen auf Vietnamesen skandierten. Doch für zwiespältige Gefühle bei den Verkäufern scheinen die Texte, die ihnen wohl gar nicht bekannt sind, ebenso wenig zu sorgen wie der Umstand, dass Tonträger der »Landser« in der Bundesrepublik auf dem Index stehen und die Band seit 2005 als kriminelle Vereinigung eingestuft ist. »Verboten?«, fragt ein Händler auf dem Markt in Hrensko, als er auf den illegalen Status der Band hingewiesen wird: »Ist kein Problem. Wird viel gekauft.«

Reichlich gekauft werden können vor allem T-Shirts. Sie hängen an Dutzenden Ständen in Hrensko, das 20 Kilometer südlich von Pirna im Elbtal liegt, wie in Dolní Poustevna, eine Viertelstunde Fußweg vom Markt der Stadt Sebnitz entfernt. In finanzieller Hinsicht lohnt sich für die Anhänger der rechten Szenebands der Weg: Für ein Shirt der Landser, auf dem in Frakturschrift die Titelzeile des 1998 erschienenen und indizierten Albums »Deutsche Wut« prangt, verlangt der Händler fünf Euro; auf ein kurzes Zögern hin senkt er den Preis auf vier Euro. Ein Rucksack kostet zehn Euro – und auch hier kommt man zögerlichen Kunden entgegen. »Zu teuer?«, fragt der Händler: »Kriegst du für sieben.«

Der Erwerb von CDs ist kaum beschwerlicher. Zwar werden die Rechtsrock-Scheiben nicht offen verkauft; generell sind inzwischen die früher zahlreichen Stände, in denen CD-Hüllen gestapelt waren und aus denen deutsche Volksmusik oder Schlager schepperten, von den Märkten verschwunden. Das heißt aber nicht, dass keine Musik mehr zu haben wäre – egal, ob es sich um »Marianne und Michael« oder »Landser« handelt. Auf eine Frage hin lässt sich die vietnamesische Verkäuferin in Dolní Poustevna den Namen der Band auf einen Zettel kritzeln und verschwindet damit im Labyrinth der Marktstände. Nach einer Weile kommt sie mit einer CD zurück. »Landser – Best«, steht in verschnörkelter Schrift auf der Hülle, auf der ein Panzer der US-Army sein Rohr auf den Betrachter richtet. Für die Scheibe sollen fünf Euro berappt werden; bei Bedarf sei die Auswahl größer, heißt es.

Es hat sich also nichts geändert seit 2001, als Politiker aus dem deutsch-tschechischen Grenzgebiet auf den schwunghaften Handel mit der braunen Musik auf den Märkten hinwiesen. »Wehret den Anfängen!«, mahnte der Pirnaer SPD-Mann Klaus Fiedler und forderte, es müsse »Ziel der zuständigen tschechischen Behörden sein, den Verkauf sowie die Belieferung der Händler für alle Zeit zu unterbinden«. Der Deciner Parlamentsabgeordnete Vladimir Lastuvka kündigte an, das Prager Innenministerium auf das heikle Thema aufmerksam zu machen. Auch ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft wurde angekündigt, um eine »härtere Gangart gegen den Verkauf umzusetzen«, wie es seinerzeit in einem Pressebericht hieß.

Als freilich Fiedler und Aktivisten der Pirnaer »Aktion Zivilcourage« ein Jahr später Stichproben auf Märkten von Cinovec bis Dolní Poustevna durchführten, mussten sie feststellen, dass der Handel nach wie vor blühte. Zwar wurden schon damals die Scheiben nicht mehr öffentlich angeboten. Auf Nachfrage aber wurden CDs von »Störkraft«, »Landser« und »Neue Härte« unterm Ladentischen hervorgeholt. Ein Hindernis war weder der Umstand, dass der Import der Scheiben in die Bundesrepublik verboten ist und strafrechtlich verfolgt wird, noch die Tatsache, dass den Käufern seit Januar 2000 auch in Tschechien Konsequenzen drohen: Der Erwerb nazistischer und volksverhetzender Propaganda steht seitdem unter Strafe.

Abgenommen hat der Handel jedoch nicht, im Gegenteil. Seit 2003 registriere man, so Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) auf Anfrage der Grünen, eine »stetige Zunahme des Versuchs des Einführens strafrechtlich relevanter Materialien bei der Einreise nach Sachsen«. Dabei handle es sich sowohl um Tonträger als auch um Textilien. Wie sich die Zahlen im Detail entwickelt haben, ist freilich nicht zu erfahren: Das Landeskriminalamt Sachsen, an das Bundesgrenzschutz beziehungsweise Bundespolizei die entsprechenden Fälle zur Ermittlung weitergeben, erklärte, von den 1907 Propagandadelikten im Freistaat, die 2005 festgestellt wurden, hätten 33 »internationale Bezüge« gehabt, die gleiche Anzahl wie im Jahr darauf.

Zahlen kaum bekannt
Dabei handle es sich, erklärte ein Sprecher, entweder um den Bezug von Artikeln über internationale Versandfirmen oder Einfuhr über die Grenze. Genauere Statistiken, fügte er hinzu, gebe es nicht. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz erklärt auf Anfrage, es gebe »hinsichtlich der Einfuhr strafrechtlich relevanter Szene-Artikel seit einigen Jahren steigende Fallzahlen«; genauer beziffert werden konnten diese aber nicht.

Welcher Art die rechten Fanartikel sind, die im Ausland erworben und über die Grenze in die Bundesrepublik gebracht werden, lässt eine Auflistung ahnen, die das Bundesministerium des Inneren auf Anfrage der LINKEN im Bundestag zur Verfügung stellte. Demnach wurden bei Kontrollen an der Grenze im Jahr 2005 sechs »strafrechtlich relevante Tonträger« sichergestellt – allesamt Scheiben der »Böhsen Onkelz«. 2007 wurden lediglich drei Tonträger aus dem Verkehr gezogen; es handelte sich um CDs des rechten Szene-Barden Frank Rennecke sowie von »Kraftschlag« und »Landser«. Für das dazwischen liegende Jahr 2006 indes werden insgesamt 78 Tonträger genannt; die Liste der Bands reicht von »Edelweiß« und »Endstufe« über »Leitwolf« und »Nahkampf« bis zu »Sturm 18«. Ob auch Kleidung von jenseits der Grenze mitgebracht und bei der Einreise beschlagnahmt wurde, ist unklar: Dazu, so das Ministerium, lägen keine Erkenntnisse vor.

Allein die extrem schwankenden Zahlen deuten an, dass der genaue Umfang des Imports rechter Szeneartikel kaum festzustellen ist. Schon, als an der deutsch-tschechischen Grenze noch Kontrollen durchgeführt wurden, war die Gefahr, mit einer indizierten CD ertappt zu werden, äußerst gering; die Beamten begnügten sich mit Stichproben. Seit dem Wegfall der Kontrollen im September 2007 hat sich das Risiko, mit einer erworbenen CD auffällig zu werden, auf ein absolutes Minimum reduziert.

Um so wichtiger wäre es, den Verkauf auf den Grenzmärkten von Vornherein zu unterbinden. Die tschechische Polizei hält sich dabei einige Erfolge zugute. Auf Anfrage erklärte eine Polizeisprecherin in Ústí nad Labem, es würden durch die Ausländerpolizei und andere Behörden regelmäßige Kontrollen durchgeführt – im Jahr 2008 bisher sechs. Dabei seien vor allem in den Jahren 2000 bis 2002 wiederholt CDs unter anderem von den »Landser« und »Kraftschlag« gefunden worden. Sie seien beschlagnahmt und Strafanzeige gestellt worden: In Tschechien ist das Aufstacheln zum Hass gegen Teile der Bevölkerung ebenso strafbar wie das Propagieren einer Bewegung, die zum Abbau von Menschenrechten führt. Ob es zu Verurteilungen kam, wurde nicht mitgeteilt; allerdings wies die Sprecherin darauf hin, dass die Händler in der Regel den Inhalt der Tonträger nicht kannten und ihnen kein Vorsatz nachzuweisen war.

Dennoch glauben die tschechischen Behörden, dass ihr Druck Früchte trägt: Wegen der regelmäßigen Kontrollen würden einschlägige Artikel auf den Grenzmärkten »fast nicht mehr angeboten«. Diese Darstellung kontrastiert freilich mit den Feststellungen der deutschen Behörden, die eine zunehmende Einfuhr registrieren, vor allem aber mit der alltäglichen Realität auf den Märkten: Um eine »Landser«-CD zu finden, ist alles andere als eine mühselige Suche notwendig; Shirts der verbotenen Band mit der von einem Totenschädel verzierten Ankündigung »Wir kommen zu Euch« werden offen zur Schau gestellt.

Nur ein geringer Trost ist angesichts dieser sprudelnden Vertriebskanäle für Musik mit hetzerischen Texten, dass rechtsextreme Verlage und Vertriebsstrukturen in der Bundesrepublik von dem Grenzhandel nicht profitieren. Die Behörden erklären auf Nachfrage, eine Kooperation zwischen diesen und Herstellern in Tschechien sei selten. Bei Grenzpassanten, die mit verbotenen Tonträgern ertappt wurden, handelt es sich laut Verfassungsschutz »zumeist um Einzeltäter«, Hinweise auf gewerbsmäßige Einfuhr gebe es nicht. Das liegt wohl vor allem daran, dass es sich bei Kleidung wie bei CDs um Plagiate handelt – wie praktisch bei allen Artikeln, die auf den Grenzmärkten vertrieben werden. Dort erhältliche Schuhe, Hemden und Trikots tragen zwar die Etiketten von Gucci, Hugo Boss oder Adidas; echt aber ist keines der Produkte. So wirkt auch die Hülle der in Dolní Poustevna erhältlichen »Landser«-CD wie auf dem Tintenstrahldrucker hergestellt, die ohne Etikett gelieferte Scheibe wurde offenbar am Computer gebrannt.

»Thor Steinar« fehlt
Wo die Hemden und Tonträger tatsächlich hergestellt und ob sie angeboten werden, weil häufig genug danach gefragt oder gute Marktforschung in Deutschland betrieben wurde, ist nicht zu erfahren – und das nicht nur, weil sich deutsche und tschechische Sprachkenntnisse der Händler auf wenige Brocken beschränken. Sie gehen ihren Geschäften nach, ohne darüber zu reden. Hintergründe sind daher auch nicht zu einer auffälligen Lücke auf den Grenzmärkten zu erfahren: Dort wird Kleidung aller beliebten Marken angeboten – von Levi's bis zu Puma. Eine Marke, die in Deutschland von Jugendlichen nicht nur der rechtsextremen Szene immer öfter getragen wird, ist im Paradies der Markenpiraten indes nicht erhältlich: Ausgerechnet »Thor Steinar« findet sich an keinem einzigen Stand.

Der Text erscheint in einer Broschüre über Rechtsextremismus in Deutschland und Tschechien mit dem Titel »Grenzland«, die im Juni erscheint und über die Böll-Stiftung sowie das Kulturbüro Sachsen zu beziehen ist.

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