Spaltung auf Schwäbisch
Für Südwestdeutschland soll ein eigenständiges Indymedia entstehen
»Mir wollet en Prozess z'r Gründong vo a neue IMC em Südweschde bginne.« Selbst ins Schwäbische haben die Aktivisten ihren Aufruf übersetzt – neben Sprachen wie Englisch, Spanisch, Türkisch und Schweizerdeutsch. Ein gewisser Enthusiasmus scheint dem Vorhaben also innezuwohnen, ein regionales unabhängiges Mediencenter (IMC) für Südwestdeutschland aufzubauen. Vom 23. bis 25. Mai will man sich dafür »linksunten« auf der Landkarte in Freiburg treffen.
Seit dem WTO-Gipfel 1999 in Seattle, als das erste IMC online ging, sind weltweit fast 180 nationale und regionale Nachrichtenportale dieser Art im Internet zu finden, vornehmlich in Nordamerika und Europa. In einer Selbstdarstellung des internationalen Verbundes heißt es, man wolle ein »kollektives Netzwerk von direkt veröffentlichten Nachrichten« sein, »die radikal und unzensiert die Wahrheit wiedergeben«. Während beispielsweise in den USA rund 60 regionale IMC tätig sind, gibt es in Deutschland seit 2001 nur eines.
Der Vorbereitungskreis des Freiburger Treffens beschreibt die geplante Gründung von linksun- ten.indymedia.org als »Bildung eines weiteren Knotenpunkts innerhalb des Netzwerkes«. »In unseren Augen war und ist Indymedia schon immer ein globales Netzwerk an unabhängigen Medienzentren, dessen Organisationsphilosophie auf Dezentralisierung, Autonomie und Solidarität beruht«, heißt es von dieser Seite. Im deutschlandweiten Indymedia gingen »lokale Ereignisse häufig in der Flut an Informationen unter«. So handele es sich bei der »Dezentralisierung« nicht um eine »Schwächung oder Spaltung«, sondern um eine Verdichtung des Netzwerks.
Zuvor hatte es allerdings Streit gegeben. Das Freiburger Moderationskollektiv war im Frühjahr aus dem bundesweiten Zusammenhang ausgeschlossen worden. Die Betreuung der Indymedia-Website geschieht durch mehrere Kollektive, die reihum die eingehenden Beiträge, die jeder Besucher der Website anonym erstellen kann, moderieren. Sie entscheiden beispielsweise, ob ein Artikel auf der Startseite des Internetportals erscheint oder welche Kommentare unter Beiträgen als irrelevant markiert werden.
Der Ausschluss der Freiburger Gruppe findet zwar Erwähnung im Gründungsaufruf, wird aber nicht weiter erläutert. Zentraler Streitpunkt war wohl der Schutz des bundesweiten Indymedia-Projekts vor staatlicher Repression. Dem maßen die verbleibenden Moderationskollektive höheren Stellenwert bei, als eine mögliche strafrechtliche Verfolgung zu riskieren, etwa durch die Veröffentlichung von Bildern und personenbezogenen Daten von Neonazis auf der Plattform.
Seitens der Vorbereitungsgruppe wird auf die »Principles of Unity« verwiesen, quasi die internationale Satzung, unter der alle IMC operieren. Dort ist zu lesen, dass es keinen »zentral gesteuerten, bürokratischen Prozess« geben solle, sondern die »Selbstorganisation einzelner autonomer Kollektive« zentrale Bedeutung habe. Dementgegen kämen Auseinandersetzungen über »informelle Hierarchien« und »Machtkonzentration« den süddeutschen Medienaktivisten zufolge in der bundesweiten Struktur »bislang zu kurz«.
Der Start eines regionalen IMC dürfte auf das bundesweite Indymedia kaum Auswirkungen haben. Wie bisher werden Teile der lokalen Berichterstattung auch dort einen Platz haben. Schwieriger wird es für die Aktivisten »linksunten«. Gibt es überhaupt eine Leserschaft und Autoren in der Region? Kann man langfristig den nötigen organisatorischen Aufwand leisten? Ein ähnlicher Versuch für Nordrhein-Westfalen liegt seit letztem Jahr auf Eis.
www.autonome-antifa.org/imc
http://de.indymedia.org
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