Scharping spielt den Schweigemönch

Afghanistan-Einsatz: Selbst die Uhrzeit ist bei der Ministertruppe KSK geheim

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Bundestag und Verteidigungsausschuss »werden auf dem dafür vorgesehenen Weg und unter Beachtung der notwendigen Schutzbestimmungen laufend über Art und Umfang der Beteiligung der Bundeswehr an "Enduring Freedom" unterrichtet.« Mehr hatte das Verteidigungsministerium zum heimlichen Einsatz deutscher KSK-Soldaten nicht zu sagen. Außer, dass auch »Datum, Zeit und Umfang« sowie der Einsatzort und die »Art des Einsatzes« geheim sind.
Geheim, das ist das Schlüsselwort des am 20. April 1996 offiziell aufgestellten Kommandos Spezialkräfte in der Graf-Zeppelin-Kaserne von Calw. Deren Angehörige, die sich für mindestens sechs Jahre verpflichten müssen, dürfen nicht einmal gegenüber ihren Ehefrauen über das reden, was ihren Dienst ausmacht. Und der ist vielfältig, Das Aufgabenspektrum der Heerestruppe reicht laut Eigenlob von der Rettung, Befreiung und Evakuierung deutscher und anderer Staatsbürger im Ausland, über die Abwehr terroristischer Bedrohungen, die Beschaffung von Informationen aus und in Krisen- und Konfliktgebieten, den Schutz eigener Soldaten oder anderer Personen in besonderen Lagen bis hin zu Kampfeinsätzen in gegnerischen Gebieten. Dabei geht es für gewöhnlich darum, dass Kommunikationszentren oder politische Schaltzentralen »ausgeschaltet« werden. So wird aus der Anti-Terror-Truppe, die im Gegensatz zu anderen Einheiten direkt dem Bundesminister der Verteidigung unterstellt ist, eine Diversionstruppe, die jede Gemeinheit beherrschen gelernt hat.
Theoretisch ist zu einem solchen Einsatz im Ausland jedoch die Zustimmung des Bundestages zwingende Voraussetzung. Legitime Ausnahme sind Situationen, bei denen Gefahr im Verzug ist. Davon kann beim aktuellen Fall nicht die Rede sein. Dennoch wurde das Parlament nicht informiert - wie die nebenstehende Dokumentation des PDS-Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke belegt. Mit dem Vorwurf »Tricksen, Täuschen, Tarnen« steht die PDS nicht allein. Auch die FDP, so poltert Gehrckes Kollege Günther Nolting, hat die Nase voll vom regierungsamtlichen »Verschweigen, Tarnen und Leugnen«.
Neben rund 1000 Soldaten der Division, die für die logistische Absicherung gebraucht werden, ist die Fernspäherkompanie ein Kernstück des KSK. Die rund 100 Soldaten sind in zwei Züge zu je zwölf Einzeltrupps mit je vier Soldaten gegliedert. Das KSK-Filetstück jedoch sind 64 Kommandotrupps, die ebenfalls aus je vier Soldaten bestehen. Jeder ist ein Spezialist. Der erste Zug ist für das Eindringen in Feindesgebiet auf dem Landweg ausgebildet, der zweite kommt vom Himmel, der dritte ist maritim gedrillt, der vierte kann sich clever im Hochgebirge sowie in Polargegenden bewegen.
Bislang kamen die Elitesoldaten vor allem auf dem Balkan zum Einsatz. Dort jagten sie mutmaßlich Kriegsverbrecher ohne dass diese Einsätze den Bundestag besonders interessiert hätten. Nicht einmal das Blutbad, das sie im Oktober 2001 im einstigen Foca, das liegt in der Republika Srpska, angerichtet haben. Dabei sollen auch drei Bundeswehrsoldaten übel zugerichtet worden sein. Doch Genaues weiß man nicht, denn beim KSK ist wie gesagt alles geheim. Weshalb das gestern von der ARD ausgestreute Gerücht, aus Afghanistan habe man einen Soldaten bereits im »Boddybag« heim geschafft, so unglaublich nicht klang. Während das Ministerium die Meldung als Fehlinformation zurückwies, wertete der verteidigungspolitischen Sprecher der Union, Paul Breuer (CDU), das Ganze als weiteres Ergebnis einer schlechten Informationspolitik. Dieser Wertung musste sich sogar die Bundeswehr-nahe Grünenabgeordnete Angelika Beer anschließen - freilich nur, um »Nachbesserungen« zu verlangen.


Tricksen, Täuschen, Tarnen

Der Fall Afghanistan
1. Vor dem Hintergrund der nicht vorhandenen eigenen Mehrheit für einen Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan versicherte Kanzler Schröder in seiner Regierungserklärung am 8. November 2001: »Mir ist besonders wichtig festzuhalten: Es geht weder um eine deutsche Beteiligung an Luftangriffen noch um die Bereitstellung von Kampftruppen am Boden.«
2. Am 15. November 2001 gab Außenminister Fischer eine Protokoll-Erklärung zum Antrag der Bundesregierung »Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte« vom 7. November 2001: »Die Bundesregierung sichert dem Deutschen Bundestag und den beteiligten Ausschüssen kontinuierliche Unterrichtung über alle den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Rahmen dieses Mandates betreffende Fragen zu.« »Für den Fall einer wesentlichen Abweichung der zahlenmäßigen Aufgliederung der eingesetzten bewaffneten deutschen Streitkräfte von den in Ziffer 5 des Antrags genannten Werten wird die Bundesregierung die Fraktionen oder - in Sitzungswochen - die Fachausschüsse des Deutschen Bundestages vorher konsultieren.«
3. Am 21. Januar 2002 war in der »New York Times« zu lesen, dass deutsche Spezialkräfte zusammen mit Kontingenten aus der Türkei, Großbritannien und den USA in zwölf Regionen tätig sind. Auf eine diesbezügliche Frage von Wolfgang Gehrcke (MdB-PDS) am 23. Januar antwortete Außenamts-Staatsminister Dr. Christoph Zöpel: »Meiner Antwort, die auf meiner Auffassung über einen mir bis dahin nicht bekannten Zusammenhang beruhte, können Sie in keiner Weise entnehmen, dass ich gesagt habe, deutsche Bodentruppen seien in Afghanistan militärisch tätig.«

Der Fall Kuweit
Die Mandatierung des Bundestages umfasst unter anderem »ABC-Abwehrkräfte, ca. 800 Soldaten« und sieht als Einsatzort »das Gebiet gemäß Art. 6 des Nordatlantikvertrages, die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien und Nord-Ost-Afrika sowie die angrenzenden Seegebiete« vor. »Deutsche Kräfte« werden sich danach »an etwaigen Einsätzen gegen den internationalen Terrorismus nur mit Zustimmung der jeweiligen Regierung beteiligen.« Diese weltweite Beschreibung erwies sich als Hindernis für die Zustimmung vieler Abgeordneter. Daher stellte die Regierung in ihrer Protokollerklärung klar, »dass die dort genannten Operationsziele sich allein gegen das terroristische Netzwerk bin Ladens, Al Qaida, und diejenigen, die es beherbergen oder unterstützen, richten.« Nun erklärt der Außenminister: »Mir hat man bis jetzt keine Beweise präsentiert, dass der Terror des Osama bin Laden mit dem Regime im Irak zu tun hat.«
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