Kein Platz für Atheisten im Bus

Religionskritische Werbekampagne im Nahverkehr vieler deutscher Städte stößt auf Ablehnung

  • Anne Onken
  • Lesedauer: 3 Min.
Religiöse Werbung gibt es seit langem im öffentlichen Nahverkehr. Eine atheistische Kampagne, die im März u. a. in Köln starten sollte, stößt jedoch auf Ablehnung. Sie sei zu provozierend und zu verletzend, fürchten die Verantwortlichen in der Domstadt.

»Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott. Erfülltes Leben braucht keinen Glauben«: Dieser und zwei ähnliche Sprüche sollten in diesen Tagen in großen Lettern auf Bussen im Kölner Nahverkehr stehen, angelehnt an ähnliche Kampagnen in London oder Barcelona. Doch die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) wollen sich derzeit nicht weiter mit der Anfrage der Initiative »buskampagne.de« befassen. »Diese Werbung wünschen wir zu diesem Zeitpunkt nicht«, sagt KVB-Sprecher Joachim Berger.

Die Kampagne sei in Köln momentan nicht vermittelbar, die Stadt sei wegen des Stadtarchiv-Einsturzes noch in Trauer. Zwar habe es schon dezente religiöse Reklame gegeben, entscheidend seien jedoch Inhalte und Akzentuierung. »Kondomwerbung würden wir zum Beispiel schalten, es sei denn, wir hätten den Papst gerade in der Stadt«, sagt Berger. »Wir wollen keine Konfrontationen in der Gesellschaft über bestimmte Anschauungen auslösen und nicht derart provozieren.«

»Säkulare Schieflage in Deutschland«

Köln ist nicht die einzige Stadt, die keine gottlosen Botschaften schalten will. München und Berlin haben der Werbekampagne ebenfalls eine Absage erteilt. »Wir bedauern das, setzen aber auch nicht auf Konfrontation«, sagt Philipp Möller, Sprecher von buskampagne.de. »Es zeigt aber auch, dass es eine säkulare Schieflage in Deutschland gibt«, meint der 28-Jährige. Die Kampagne verstehe sich nicht antireligiös, sondern aufklärerisch. Solange in Deutschland gepredigt werde, es gebe ohne Gott keine Moral, sei eine solche Werbeaussage relevant.

Die Idee der Kampagne stamme aus London, sei in Berlin aber auch aus Ärger über das Volksbegehren »Pro Reli« und über die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) befeuert worden, sagt Möller. Eine Bürgerinitiative kämpft dort mit Unterstützung der Kirchen dafür, dass der Religionsunterricht künftig im Rahmen eines Wahlpflichtbereichs alternativ zum Pflichtfach Ethik gewählt werden kann. Die BVG hatte der Initiative »Pro Reli« zu Jahresbeginn erlaubt, auf Berliner U-Bahnhöfen Unterschriften für das Volksbegehren zu sammeln. »Es gibt in Berlin Busse, die für den größten Edelpuff der Stadt werben, religiöse Aufkleber findet man überall, aber eine atheistische Kampagne soll nicht möglich sein?« fragt Möller.

Kampagne auch in Dortmund kein Thema

Nach den Absagen mehrerer Städte hofft Möller nun auf mehr Erfolg in Hamburg, Leipzig, Fulda oder Dortmund. »Spätestens in Dortmund muss man uns zulassen«, sagt er. In der Stadt hatten die Verkehrsbetriebe einen Bus des Katholischen Forums mit der Aufschrift »Keine Sorge: Es gibt Gott. Also schönen Tag« akzeptiert. Die Dortmunder Verkehrsbetriebe winken jedoch ab, die Atheisten-Kampagne sei kein Thema.

»Wir hatten eine Kampagne des Katholischen Forums, aber eigentlich werben wir überhaupt nicht mit religiösen Aussagen«, sagt Jutta Sprungmann, die bei »bus-und-bahn.de« Dortmund für die Verkehrsmittelwerbung zuständig ist. Über den Bus des Katholischen Forums hätten im Stau stehende Autofahrer schmunzeln können, erläutert Sprungmann. Bei einer Atheismus-Kampagne könne man jedoch nicht sicher sein, ob sich Menschen beleidigt fühlten und im Zweifelsfall sogar Busse beschädigten.

Auch in anderen Ruhrgebietsstädten wie Bochum oder Gelsenkirchen werden Möller und seine Mitstreiter wohl nicht landen können. »Es gibt weder religiöse noch rassistische noch sexistische Reklame bei uns«, stellt Sandra Bruhns, Sprecherin bei der Bochumer und Gelsenkirchener Straßenbahngesellschaft, klar. »Politiker, die Flyer verteilen, werden Sie bei uns auch nicht finden.« Philipp Möller will dennoch nicht aufgeben. »Wir probieren es so lange, bis es in einer deutschen Stadt klappt», sagt er trotzig und verweist zugleich auf Plan B: Notfalls werde die Initiative auf Plakate ausweichen. epd

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