»Stichwortgeber der Weltgeschichte«

ANSA-Journalist präsentiert »Mauerfall-News«

  • Lesedauer: 2 Min.
Wie war das mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989? Gab es einen Plan oder spielte der Zufall mit?

Berlin (dpa/ND). Wenige Monate vor dem 20. Jahrestag der Grenzöffnung haben Erinnerungen von Zeitzeugen, Mutmaßungen und Deutungen Konjunktur. Gestritten wird auch um den Anteil an Geschichte – jetzt sind Neuigkeiten aufgetaucht. Ausgerechnet ein SED-Mann soll dem italienischen Journalisten Riccardo Ehrman den Tipp für die entscheidende Frage zur Reisefreiheit gegeben haben.

»Alles Quatsch«, wischte am Freitag der frühere SED-Spitzenfunktionär Günter Schabowski Spekulationen vom Tisch, er habe die Maueröffnung nach der bestellten Frage eines West-Journalisten verkündet. »Der italienische Journalist hat seine Frage nach dem neuen Reisegesetz spontan gestellt«, sagte Schabowski. Er habe die Nase voll von der Diskussion, es sei »alles gesagt«.

Fast beiläufig hatte das Mitglied des SED-Politbüros am 9. November 1989 auf einer Pressekonferenz die Reisefreiheit für DDR-Bürger verkündet: »Das tritt nach meiner Kenntnis, ähh, ist das sofort, unverzüglich.« Er habe sehr wohl gewusst, was er sagte und was auf seinem Zettel stand, sagte Schabowski später.

Der damalige Korrespondent der italienischen Nachrichtenagentur ANSA, Ehrman, behauptet nun, für seine Frage habe ihm der Chef der staatlichen DDR-Nachrichtenagentur ADN, Günther Pötschke, der Mitglied im SED-Zentralkomitee war, den Tipp geben. »Er sagte mir das von Freund zu Freund«. Warum der Pensionär erst jetzt damit herausrücke? »Ich wollte klarmachen, dass meine Frage kein Zufall war.« In einem Interview mit dem »Stern« erklärte Ehrman jetzt: »Ich habe der Weltgeschichte das Stichwort gegeben.«

Der inzwischen gestorbene ADN-Chef habe ihm geraten, unbedingt nach den neuen Reisebestimmungen zu fragen. Es habe aber kein Putschversuch in der SED-Führungsriege hinter seiner Frage gesteckt, sagte Ehrman der dpa. Bei der DDR-Nachrichtenagentur habe eine vorbereitete Meldung zur Öffnung der Grenzen gelegen – für den 10. November um 04.00 Uhr morgens, erinnerten sich frühere Mitarbeiter. Schabowski habe die Öffnung der DDR-Grenze »aus Unkonzentriertheit im Alleingang« um Stunden zu früh verkündet, schimpfte denn auch der frühere DDR-Staats- und SED-Parteichef Egon Krenz vor Kurzem bei einer Buchvorstellung.

Krenz will nach seiner Darstellung erst gegen 21.00 Uhr am 9. November erfahren haben, dass die Mauer gefallen ist. »Die Befehle zur Grenzöffnung waren für den 10. November da.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.