Und rein in die Kartoffeln
Im Müritzkreis startet heute ein neuerlicher Großversuch mit genveränderten »Amflora«-Knollen
Aus Sicht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist der Fall klar und vorerst abgeschlossen. »Amflora« darf an der Müritz aufs Feld: »Gestattet wurde die Freisetzung der genveränderten Kartoffel auf einer Fläche in der Gemeinde Bütow (Mecklenburg-Vorpommern). Geplant ist, die gentechnisch veränderten Kartoffeln in den Jahren 2009 und 2010 auf einer Fläche von maximal 20 Hektar freizusetzen. Eine ähnliche Freisetzung wurde bereits im Jahr 2007 vom BVL genehmigt«, hieß es schon am 30 April in einer Erklärung.
Wahlkampf mit Knolle
BVL-Sprecher Jochen Heinberg hat die Mitteilung gestern sicherheitshalber noch einmal verschickt. Denn anders als zunächst geplant, wurde die umstrittene Gen-Knolle der BASF Plant Science GmbH am Montag nicht aufs Feld gebracht: Die Schweriner Landesbehörden stellten sich quer, so am Sonntag Landwirt Karl-Heinrich Niehoff, der den Versuch vornimmt. Gestern konnte er dann Vollzug ankündigen: Heute würden die Knollen gelegt.
Umstritten bleibt »Amflora« im Nordosten dennoch. Gentechnikkritiker haben das betreffende Feld gestern symbolisch mit Bio-Kartoffeln der Sorte »Linda« beworfen. Die Polizei beendete die Aktion und spricht von Hausfriedensbruch. Doch auch in der Landeshauptstadt ist der fortgesetzte Kartoffelversuch nicht allen willkommen: Agrarminister Till Backhaus (SPD) nennt die Genehmigung »Willkür«: Bei 20 Hektar könne man von einem »Versuch« nicht mehr sprechen. Wortgewaltig wirft Backhaus dem Bundesministerium unter Ilse Aigner (CSU) vor, in den Nordosten abzuschieben, was man in Bayern nicht wolle. Im Dezember schon war er mit der Forderung an die Öffentlichkeit gegangen, solche Versuche auf maximal 1000 Quadratmeter zu begrenzen, was die übliche Größenordnung sei. Genutzt hat es wenig angesichts der Kompetenzverteilung.
Wäre diese anders, hätte »Amflora« zu einem Koalitionskrach auskeimen können. Die CDU-Agrarpolitikerin Beate Schlupp jedenfalls rügte: Für gesicherte Erkenntnisse seien 20 Hektar notwendig. Allerdings hätte sich Backhaus vielleicht anders verhalten, wenn er wirklichen Einfluss hätte. Der BUND-Agrarexperte Burkhard Roloff erinnert daran, dass »Amflora« im Land bereits zwei Jahre lang auf sogar 150 Hektar angebaut worden sei, ohne dass sich der Minister daran gestört habe. Auch FDP-Politikerin Sigrun Reese und Linksfraktionschef Helmut Holter sprechen von einem Wahkampfmanöver.
Prinzipiell ist Backhaus jedenfalls nicht gegen Forschung in der Agrar-Gentechnik. Linkspartei-Agrarexperte Fritz Tack fordert dagegen, derartige Versuche generell »vom Anwenderkonzern unabhängig« vorzunehmen. »Amflora« darf bisher nicht kommerziell angebaut werden; das diesbezügliche Verfahren steht noch an.
Die Kartoffel produziert modifizierte Stärke: Normalerweise besteht diese aus Amylopektin und Amylose. Bei »Amflora« wird die Amylose »ausgeschaltet«.
Kartoffel gegen Cholera
Die Stärke der »Amflora« soll unter anderem zur Produktion von reißfesterem Garn beitragen oder zur Papierherstellung genutzt werden können. Auch der Bauindustrie soll die Kartoffel Nutzen bringen: Aufgrund ihrer Klebefähigkeit könne Sprühbeton besser an der Wand haften. Zum Verzehr ist die Knolle nicht gedacht.
Unterdessen warnen Umweltschützer bereits vor der nächsten Generation von gentechnisch veränderten Knollen, mit denen an der Rostocker Uni experimentiert wird: Kartoffeln, die in die Pharmaproduktion sollen. Besonders gegen eine Kreation richtete sich der Widerstand: die sogenannte »Cholera-Kartoffel«, in die Teile des Seuchen-Erregers eingebaut wurden. Das Münchner Umweltinstitut hat dagegen 57 000 Einwendungen gesammelt und an das BVL gerichtet. »Es ist noch nichts entschieden«, hieß es gestern dazu in München.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.