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Suchtfaktor Krieg

Tödliches Kommando – The Hurt Locker von Kathryn Bigelow

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 4 Min.

Diese Männer riskieren ihr Leben, und auch der Zuschauer ist von Anfang an mittendrin: »Tödliches Kommando« ist der härteste und unmittelbarste aller Spielfilme, den Hollywoods Auseinandersetzung mit dem US-Einsatz in Irak bisher hervorbrachte. Gut zwei Stunden dauert er, fast zwei Stunden davon spielen in der Hitze in und um Bagdad, unter den Männern einer Eliteeinheit, deren Sterblichkeitsrate die jeder anderen Einheit noch einmal um Längen schlägt. Das Entschärfen handgebastelter Bomben in Autowracks und Lagerhallen, in Mülltüten, im Staub der Straße, eingenäht in die Kleidung mehr oder weniger wild entschlossener Selbstmordattentäter oder, perfider noch, in die Leichen von Märtyrern wider Willen ist ihr Geschäft, und sie sind Experten darin.

Drehbuchautor Mark Boal hat erlebt, worüber er schrieb, er war als »embedded journalist« im Gefolge der US-Truppen dabei beim Einmarsch in Irak. Welche Schlüsse er aus seinen Kriegserfahrungen zog, konnte man schon einmal auf der Leinwand begutachten: Einer seiner Essays lieferte die Grundlage für das Drehbuch zu Paul Haggis’ todtraurig-bitterbösem Kriegsheimkehrerdrama »Im Tal von Elah«. Dort ging es um die Gefährdung, die traumatisierte, alltagsentwöhnte, auf die kleinste Provokation hin gewaltbereite Irakkriegs-Veteranen nach ihrer Rückkehr für sich und andere darstellen können. In »Tödliches Kommando« geht es um die Droge Krieg selbst. »Tödliches Kommando« ist einer dieser Antikriegsfilme, die nichts als Krieg zeigen – und deshalb um so stärker wirken.

Regisseurin Kathryn Bigelow, schon immer eine starke Frau in traditionellen Männerfilmdomänen (»Gefährliche Brandung«), inszeniert die technische Präzision des Kriegshandwerks dieser Männer, aber auch ihre permanente Anspannung und Todesangst. Eine Anspannung, die sich in den Ruhepausen zwischen zwei Einsätzen in Ballspielen, Trinkgelagen oder Raufereien entlädt, in ungeschickter physischer Kameraderie oder einsamen Weinkrämpfen unter der Dusche. Die während der Minuten (oder Stunden) mit der Bombe aber zu nichts anderem als zu massiv erhöhter Konzentration führen darf.

Die Handkamera von Barry Ackroyd folgt den nervös streifenden Blicken der Soldaten hinein in Seitenstraßen, über die Dächer und Hauseingänge, in Türöffnungen und Fensterlaibungen, macht ihr beständiges Misstrauen vor den Einheimischen greifbar, die mal schutzbefohlene Zivilisten sind und mal heimtückische Gegner in Zivil. Denn jeder der schweigend Umstehenden könnte der Attentäter sein, den Auslöser der Bombe in der Hand halten oder mit dem Gewehr auf die Männer anlegen, ihre Exponiertheit nutzend.

Sie erleben den urbanen Guerilla-Krieg als Adrenalinstoß, als Abfolge höchstverdichteter Augenblicke, als existenzielle Gratwanderung, als Droge und High. Er ist Drahtseilakt und ultimativer Nervenkitzel, und sie mögen die Tage bis zur Heimkehr zählen – der Film zählt immer fleißig mit –, während sie noch mittendrin stecken, mögen hoffen und beten, bloß heil da wieder rauszukommen, und sehnsüchtig die Bildchen ihrer Frauen und Kinder herzen – hinterher fehlt er ihnen doch. Der notwendige Spannungsabbau nach jedem einzelnen Moment von Todesgefahr und Überleben ist ein Problem, solange die Männer im Kriegsgebiet unter Feinden leben. Als noch viel größeres Problem aber wird sich für manche der jähe Spannungsabfall erweisen, sobald sie wieder im Kreise der Lieben angekommen sind: der heimgekehrte Irakkriegs-Veteran, ein Adrenalin-Junkie auf Entzug, der Eingliederung in den »normalen« Alltag nicht mehr fähig, eine menschliche Zeitbombe auf zwei Beinen – und wenn er nur sich selber dabei umbringt.

So kommt der wahre Schock eines an jähen Schockmomenten nicht eben armen Films erst ganz am Ende, in der klimatisierten Kühle eines US-amerikanischen Supermarktes. Da wird für einen der Männer der Frieden daheim so unerträglich werden, dass er sich lieber zum erneuten Kriegseinsatz meldet. Der aller statistischen Wahrscheinlichkeit nach tödlich verläuft, aber einer Lebenswirklichkeit vorzuziehen ist, in der nur noch über die Wahl des Frühstücksmüsli zu entscheiden ist, aber nicht mehr über Leben und Tod.

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