Einmal »weltwärts« und zurück

Erste Teilnehmer des entwicklungspolitischen Freiwilligendienstes zogen in Potsdam Bilanz

  • Kai Walter
  • Lesedauer: 5 Min.
Entwicklungspolitscher Freiwilligendienst soll mehr sein als ein bezahlter Aufenthalt in einem Entwicklungsland. Jugendliche sollen Erfahrungen sammeln und diese nach ihrer Rückkehr in Deutschland einfließen lassen. Unter dem Titel »undjetzt?!« fand Anfang August in Potsdam eine erste Konferenz zur Vernetzung und Information von Rückkehrern statt. Mehr als hundert Ehemalige kamen.
Der Markt der Möglichkeiten fungiert als Kontakt- und Ideenbörse für entwicklungspolitisch Interessierte.
Der Markt der Möglichkeiten fungiert als Kontakt- und Ideenbörse für entwicklungspolitisch Interessierte.

Sich trauen, Erwartungen brechen, keine Angst zu Versagen. Das war die Botschaft von Klaus Werner-Lobo an die Teilnehmer von »undjetzt?!« in Potsdam. Werner-Lobo begann seinen Vortrag mit einer Demonstration. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er mitten auf der Bühne und schaute wortlos ins Publikum. Im großen Saal herrschte Ruhe – lange. So lange, bis eine Stimme rief: »Anfangen.« Der österreichische Globalisierungskritiker Werner-Lobo wollte mit seinem unkonventionellen Beginn Macht demonstrieren. Macht, die ihm die Zuhörer gaben, als er die Erwartungen an einen Vortragsbeginn brach und durch Nichtstun mehr Aufmerksamkeit erreichte als durch ein Feuerwerk von Aktionen. Werner-Lobo erzählte den jungen Leuten, wie er mit seiner journalistischen Arbeit dafür kämpft, dass die Ärmsten dieser Erde nicht weiter nur die Verlierer der Globalisierung bleiben. Er erzählte, wie er auf Missstände im Süden hinweist und wie er versucht, den Menschen in den Industrieländen ihre Verantwortung dafür klar zu machen. Und Werner-Lobo antwortete auch auf die Fragen, was junge Menschen denn tun könnten: Informieren, organisieren und engagieren lautet seine Formel.

Der Vortrag von Klaus Werner- Lobo war einer der Höhepunkte der ersten Konferenz für Rückkehrer aus dem Freiwilligendienst. Initiiert und organisiert wurde »undjetzt?!« von ehemaligen Freiwilligen, die sich in verschiedenen Vereinen und Netzwerken organisieren.

Durch das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geförderte Freiwilligenprogramm »weltwärts« haben seit Anfang 2008 mehr junge Menschen die Möglichkeit, Erfahrungen in Entwicklungsländern zu sammeln. Nun gibt es auch mehr Rückkehrer, die nicht nur in den Alltag zurückkehren wollen, sondern Wege suchen, um ihre Erfahrungen zu nutzen und sich weiterhin zu engagieren. Das Konzept für eine Konferenz, die auf diesen Bedarf eingeht, hielt auch das BMZ für förderungswürdig und finanzierte die Veranstaltung zu 68 Prozent.

Zwischen drei Monaten und einem Jahr hatten die Teilnehmer der Konferenz in Entwicklungsländern in Asien, Afrika oder Lateinamerika ganz persönliche Erfahrungen gesammelt. Aber was hat der Freiwilligendienst gebracht und was kann man nach der Rückkehr tun? Wie kann man die Erfahrungen nutzen? Und wo findet man Gleichgesinnte?

David Hansen aus Hamburg kam vor zwei Jahren aus Südafrika zurück. Ein Jahr lang hatte der heute 22-Jährige dort als Freiwilliger gearbeitet und zurück in Hamburg wollte er weiter etwas für die Menschen in Südafrika und anderen Entwicklungsländern tun. Vor einem Jahr hat er in Hamburg einen Verein gefunden, bei dem er gemeinsam mit anderen engagierten Jugendlichen entwicklungspolitisch tätig sein kann. Bei »Go Ahead! – Bildung für Afrika« werden Projekte erdacht und durchgeführt, deren Ziel es ist, mehr Bildungsmöglichkeiten für Menschen in Entwicklungsländern zu schaffen. »Ich bin in allen möglichen Verteilern und so habe ich von der Konferenz erfahren«, erklärt der Wirtschaftstudent. Nach Potsdam sei er gekommen, um noch mehr aktive Ehemalige zu treffen und zu hören, was woanders gemacht wird.

Zwei Tage lang konnten die Rückkehrer in einem umfangreichen Workshopprogramm von Experten mehr über Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit erfahren. In mehr als vierzig Workshops ging es unter anderem um Themen wie Wirkung von Entwicklungszusammenarbeit, Web 2.0 for development, Millenniumsentwicklungsziele und Globales Lernen.

Viel Raum für den Austausch von Erfahrungen und Diskussionen über Möglichkeiten des Engagements boten Open Space-Veranstaltungen, für welche die Konferenzteilnehmer selbst Themen vorschlugen. Von generellen Fragen wie »Wie schaffe ich eine gerechtere Welt?« über Diskussionen zu Freiwilligenportalen wie volunity.net ging es bis hin zur konkreten Auseinandersetzung darüber, wie man eine entwicklungspolitische Diskussion an die Hochschulen bringen kann. »Es gibt so viele Leute, die was machen wollen, aber nicht wissen wie, und wo sie sich hinwenden können«, sagte David Hansen in der Diskussion zur Frage »Was tun an der Hochschule?« Bei allem Enthusiasmus müsse jedoch bedacht werden, dass andere Studierende oder die Öffentlichkeit für entwicklungspolitische Veranstaltungen oft schwer zu mobilisieren sind. Man müsse deshalb entsprechende Methoden und Medien finden, um einen Bezug zu solchen Themen für Menschen herzustellen, die bisher nichts damit zu tun hatten.

Beim Markt der Möglichkeiten nutzten auch Akteure wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) die Gelegenheit, mit interessierten Rückkehrern in Kontakt zu kommen. Die Vertreterin der KfW hätte sich ein kompakteres Format des Marktes gewünscht, da die Konferenzteilnehmer am zweiten Tag durch parallel stattfindende Open Space-Angebote anderweitig gebunden waren und nur sporadisch vorbeikamen.

Christian Wienberg, einer der Hauptinitiatoren, bekräftigte im Resümee nochmals das Anliegen der Konferenz: »Es ging nicht primär darum, persönliche Dinge der Teilnehmer aufzuarbeiten. Wir wollten gemeinsam darüber nachdenken, was man nach der Rückkehr tun kann.« Am Abschlusstag verfassten die Teilnehmer eine Erklärung, in der sie sich für eine Verbesserung von »weltwärts« aussprechen, wobei vor allem auch mehr Mitspracherecht für die Freiwilligen im Bereich der Programmgestaltung und der Organisation angestrebt wird. Die Ehemaligen wollen sich an der weiteren Gestaltung von Freiwilligendiensten aktiv beteiligen und deswegen die Vernetzung der Rückkehrer stärken. »Ihr müsst euch keine Sorgen machen, dass ihr vielleicht wenige seid«, sagte Klaus Werner-Lobo den Rückkehrern. Es seien immer wenige gewesen, von denen in der Menschheitsgeschichte Veränderung ausgegangen sei. Diese wenigen hätten sich jedoch informiert, organisiert und engagiert.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -