Kabul will Gewalt ausblenden

Afghanische Regierung verbietet Journalisten am Wahltag Berichterstattung über Terrorakte

  • Lesedauer: 3 Min.
Nach den schweren Anschlägen in den vergangenen Tagen blieb die Lage in Afghanistan unmittelbar vor der Präsidentenwahl an diesem Donnerstag bis auf einige gewaltsame Vorfälle in Kabul und im Land relativ ruhig.

Kabul (Agenturen/ND). Laut einem Polizeibericht stürmten Bewaffnete am Mittwoch eine Bank in Kabul und verschanzten sich. Erst nach einem mehrstündigen Feuergefecht sei es Polizisten gelungen, das Gebäude einzunehmen und drei Angreifer zu erschießen. Bei den Getöteten handele es sich um Aufständische, hieß es.

In der Stadt Kundus schlugen zudem zwei Raketen ein. Der Provinzregierung zufolge richteten sie keinen Schaden an. Die Geschosse seien aus dem Unruhedistrikt Char Darah abgefeuert worden. Dort ist derzeit die Bundeswehr im Einsatz, um afghanische Sicherheitskräfte bei der Absicherung der Wahl zu unterstützen.

Im Süden des Landes kamen vier afghanische Polizisten bei einem Luftangriff des US-Militärs ums Leben. Wie ein Regierungssprecher in der Provinz Ghasni mitteilte, hatten Kämpfer der Taliban zunächst einen Polizeiposten angegriffen. Die afghanischen Einsatzkräfte hätten daraufhin Luftunterstützung der US-Truppen angefordert. Dabei seien »zahlreiche Aufständische« und »leider auch vier unserer Polizisten« getötet worden, sagte der Sprecher.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai rief seine Landsleute zu einer regen Teilnahme an den Präsidenten- und Provinzwahlen auf. »Ich hoffe, dass Millionen unserer Landsleute morgen für die Stabilität, den Frieden und den Fortschritt des Landes stimmen werden«, sagte Karsai am Mittwoch vor Journalisten in Kabul.

Derweil drohte die afghanische Regierung ausländischen Journalisten mit der Ausweisung, sollten diese trotz Verbots über Gewalttaten während des Votums berichten. Einheimische Medienbetriebe würden dichtgemacht, wenn sie gegen das Verbot verstießen, sagte ein afghanischer Außenamtssprecher am Mittwoch. Bei der Präsidentenwahl handle es sich um eine außergewöhnliche Situation, daher müssten sich alle Medien an das Verbot halten, sagte er.

Die Entscheidung, keine Berichterstattung über Gewalt am Wahltag zu gestatten, hatte der Nationale Sicherheitsrat Afghanistans am Dienstag getroffen. Damit solle verhindert werden, dass sich die Wahlberechtigten aus Angst nicht an die Urnen wagen, hieß es. Über die Wahl an sich könne dagegen am Donnerstag ungehindert berichtet werden. Die Maßnahme zog am Mittwoch eine Welle der Empörung bei einheimischen und ausländischen Berichterstattern in Afghanistan nach sich.

Die LINKE forderte die Bundesregierung auf, endlich die Realitäten in Afghanistan zu akzeptieren. Frieden und demokratische Entwicklung könne man nicht herbeibomben, kritisierte der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Oskar Lafontaine. »Die Lage in Afghanistan vor den Wahlen wird immer desolater und kritischer. Es gibt mehr Opfer in der Zivilbevölkerung als je zuvor. Der Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan führt zu einem weiteren Erstarken der Taliban und holt den Terror ins eigene Land.« Nur Gewaltverzicht, Entwicklungszusammenarbeit und Diplomatie würden einen Ausweg aus der afghanischen Sackgasse eröffnen, betonte der Linkspolitiker. »Der Abzug der Bundeswehr ist ohne Alternative und muss unverzüglich beginnen.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.