EU-Besuch in Harare sorgt für Missklänge
Simbabwes Einheitsregierung streitet sich
Die Freude bei Teilen der simbabwischen Regierung über den ersten Besuch einer hochrangigen EU-Delegation seit 2002 hält sich in Grenzen. Während Robert Mugabe sich vorsichtig optimistisch äußerte, ließ sein Justizminister seinem Ärger freien Lauf. Es scheine, als wolle die EU die simbabwische Regierung der nationalen Einheit untergraben, sagte Justizminister Patrick Chinamasa laut einem Bericht der regierungsnahen Zeitung »The Herald« vom Montag. Der Minister, ein Verbündeter von Präsident Robert Mugabe, warf der EU vor, den Äußerungen des Ministerpräsidenten Morgan Tsvangirai »ohne Wenn und Aber« zu folgen.
Schwedens Ministerin für internationale Entwicklung Gunilla Carlsson sprach vom Beginn einer neuen Phase in den Beziehungen. Präsident Robert Mugabe seinerseits empfing die Delegation der auch der EU-Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe, Karel De Gucht, angehörte, »mit offenen Armen«. Damit erschöpften sich aber die Freundlichkeiten. Die EU-Delegation lehnte eine Aufhebung der Sanktionen gegen Simbabwe wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen und ungenügenden Fortschritten bei der Machtteilung zwischen Mugabes ZANU-PF und der Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC) von Ministerpräsident Morgan Tsvangirai ab. Carlsson bemängelte das Tempo bei der Wiederherstellung der Gesetzlichkeit, bei demokratischen, konstitutionellen und Medienreformen. De Gucht sah keine negativen Auswirkungen der Sanktionen – Reisebeschränkungen und Finanzblockaden gegen 250 Offizielle und 17 Unternehmen – auf die einfachen Menschen Simbabwes. Die fortgesetzte humanitäre Hilfe der EU an Simbabwe belief sich 2009 auf bisher 128 Millionen Dollar. Justizminister Chinamasa (ZANU-PF) forderte jedoch Entwicklungszusammenarbeit statt humanitärer Hilfe.
Die EU macht die volle Umsetzung der politischen Vereinbarung zwischen ZANU-PF und MDC vom September 2008 zur Schlüsselfrage. Simbabwes Parteien üben sich in gegenseitiger Schuldzuweisung und streiten weiter um die Besetzung von Schlüsselpositionen. Tsvangirai gibt sich wieder einmal überraschend kämpferisch. Hatte er bislang die Einheit beschworen, seine Arbeitsbeziehungen mit Präsident Mugabe trotz großer Gegensätze hervorgehoben und Schwierigkeiten heruntergespielt, so attackierte er nun die ZANU-PF. Er warf der Partei die Verletzung der Vereinbarung vor, die Verfolgung von MDC-Abgeordneten, Farmbesetzungen, die Missachtung internationaler Abkommen. Er selbst habe dagegen seinen Teil zur Aussöhnung geleistet. Tsvangirai kehrt wieder den ehemals kompromisslosen Oppositionsführer heraus.
Es bleibt abzuwarten, ob dieser Sinneswandel dauerhaft sein wird oder ob er vielmehr dem zehnjährigen MDC-Jubiläum und dem Besuch der EU-Delegation geschuldet ist. Umfragen besagen, dass die immer noch beträchtliche Unterstützung für Mugabe in der Bevölkerung schwindet. Für viele Simbabwer haben sich in den letzten Monaten die Lebensbedingungen etwas verbessert, wirtschaftliche Stabilisierungsmaßnahmen zeigen Wirkung, die Geschäfte sind gefüllt, Betriebe produzieren wieder.
Die Einheitsregierung wird als Übergangslösung betrachtet und soll zu einer neuen Verfassung und zu Wahlen führen, wofür es aber noch keine Zeitvorstellungen gibt. Die Diskussion über die Verfassung hat bereits begonnen, sie wird nicht nur von ZANU-PF und MDC, sondern auch von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen getragen. Die Verfassung soll durch ein Referendum bestätigt werden.
Die internationale Gemeinschaft verfolgt diese Entwicklung aufmerksam, wie die Sondierungen der EU zeigen. Bei der Unterstützung günstiger Entwicklungen in Simbabwe bedarf es viel Fingerspitzengefühls – mehr als in der Vergangenheit oft gezeigt wurde.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.