Kurzschluss am Golf
Teile der Vereinigten Arabischen Emirate leiden unter Stromausfällen
Schardscha liegt nur wenige Kilometer von Dubai entfernt. Mit dem Auto ist das Emirat in wenigen Minuten zu erreichen. Aber in mancher Hinsicht ist es Lichtjahre entfernt. Während Dubai weltoffen ist und auf dem Höhepunkt seines Aufschwungs hoffen konnte, zu einem der führenden Finanz- und Handelszentren der Welt aufzusteigen, ist Schardscha konservativ, verschlossen und im Vergleich zu Dubai und erst recht zum ölreichen Abu Dhabi arm.
Das war schon immer so. Aber nun macht sich der Rückstand auch mitten im Alltag bemerkbar. Seit Mitte August kommt es immer wieder zu Stromausfällen von bis zu zwölf Stunden. Die zuständige Behörde machte ursprünglich den plötzlichen Zusammenbruch eines Kraftwerks verantwortlich, ausgelöst durch den hohen Strombedarf im heißen Sommer. Beobachter verweisen auch auf die Finanzkrise, der dringend nötige Infrastrukturprojekte zum Opfer fielen.
Klar sind die Folgen der Stromausfälle. Die Kosten werden auf 70 bis 100 Millionen Dirham (13 bis 19 Millionen Euro) geschätzt, besonders im Industriesektor. Schardscha ist die Werkbank der Emirate, mit 750 000 Arbeitsplätzen und einem Anteil von 40 Prozent an der Industrieproduktion.
Schardscha ist nicht allein mit seinen Problemen. Eine Studie der Regierung der Föderation zeigte auf, dass der chronische Strommangel in den nördlichen Emiraten eine ernste wirtschaftliche und ökologische Gefahr darstellt. Die Gutachter machen die schlechte Planung seitens der Bundesbehörde für Strom und Wasser in Abu Dhabi für die Lage verantwortlich. Diese Behörde liefert den größten Teil des Stromes, den die sogenannten nördlichen Emirate verbrauchen, also Adschman, Fudschaira, Ra’s al-Chaima und Umm al-Qaiwain. Diese Emirate haben keine eigenen Behörden für die Strom- und Wasserversorgung und hängen von den Lieferungen des Bundesstaates ab. Und die lassen manchmal auf sich warten. Tausend Gewerbeimmobilien warten darauf, ans Netz angeschlossen zu werden, davon allein 500 in Adschman. Zahlreiche Hochhäuser, vor Monaten oder gar Jahren fertiggestellt, warten vergebens auf ihre neuen Bewohner – der Anschluss an das Stromnetz fehlt. Auch etliche Villen in Ra's al-Chaima, die der Staat Emiratis mit niedrigem Einkommen zur Verfügung stellte, stehen aus dem selben Grund leer.
Die Behörden in Schardscha stellen sich taub, wenn sie nach den Ursachen des Energiekrise am ölreichen Golf gefragt werden. Sie blieben auch stumm, wenn sie sagen sollten, wann der Strom wieder zuverlässig fließt. Wenn der Bundesstaat dem Emirat nicht zur Hilfe eilt, dürften die Aussichten in Schardscha düster sein. Denn der Verbrauch übersteigt inzwischen die Produktion. Kurzfristig könnten niedrigere Temperaturen und freiwillige Sparmaßnahmen seitens der Bewohner helfen. Langfristig könnte sich die Lage noch verschlimmern, wenn sich die Baubranche, ein großer Stromfresser, wieder erholt.
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