Mondsüchtig

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 1 Min.

Die forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland fürchten Staatsmedizin und beschwören für diesen Fall Versorgungsengpässe, Innovationshürden und Qualitätseinbußen. Dabei haben sie als Pharmaproduzenten hier einen Spielraum, der ihnen kaum noch irgendwo geboten wird. Wo sonst können sie für ein neues, von ihnen selbst als innovativ gepriesenes Arzneimittel einen Preis buchstäblich erfinden, den ihnen die Krankenkasse nahezu im Automatismus erstattet? Übrigens sogar dann, wenn Studien der Hersteller ergeben haben, dass dieses Medikament gar keine therapeutische Relevanz besitzt. Die Produzenten sind nämlich nicht verpflichtet, alle Daten zu veröffentlichen. Höchstpreise, wie sie in anderen Ländern üblich sind, müssen sie im pharmafreundlichen Deutschland auch nicht akzeptieren. Absurd, aber wahr.

Es gäbe folglich allerhand zu tun für den Gesetzgeber. Doch der schaut sich die alljährlich wachsende Arzneimittelkosten der Kassen untätig an und gibt sich damit zufrieden, dass Festpreise und Rabattverträge die Steigerungen bei zahlreichen Arzneien in Schach halten. Dafür drückt er ein Auge zu, wenn die Hersteller immer wieder patentgeschützte Arzneimittel oder Impfstoffe finden, für die sie sogenannte Mondpreise festlegen, deren Höhe niemand nachvollziehen kann. Die sorgen dann dafür, dass ihre Umsätze auf jeden Fall steigen. Diese Mondsüchtigkeit ist anscheinend nicht therapierbar.

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