Vage Hoffnung für Eisenachs Opelaner

Magna legt genaue Zahlen über Stellenabbau vor: Thüringen ist davon nicht betroffen

  • Peter Liebers
  • Lesedauer: 4 Min.
Der angekündigte Verkauf von Opel an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna hat in Thüringen höchst unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Während Politiker den Erhalt des Automobilbau-Standortes Eisenach gesichert sehen, herrscht bei der Belegschaft eher Unsicherheit.

Mit dem Verkauf sei der Standort Eisenach gesichert, jubelte Eisenachs Oberbürgermeister Matthias Doht (SPD) nach Bekanntwerden der Nachricht. Thüringens amtierender Regierungschef Dieter Althaus (CDU) zeigte sich noch euphorischer. Damit sei der Weg für »Opel Europa« geebnet und das Ziel erreicht, Opel eine gute Zukunft zu sichern, verkündete er per Presseerklärung.

Mitarbeiterbeteiligung bleibt ungelöste Frage

Der Eisenacher Opel-Betriebsratschef Harald Lieske ist da deutlich zurückhaltender. »Wir haben einen Schritt hinter uns gebracht, der größte Teil des Weges liegt aber noch vor uns«, sagt er gegenüber ND. Lieske sieht noch viele offene Fragen. Er glaubt, Eisenach habe jetzt wenigstens eine Chance. Die von Magna veranschlagten 180 000 Fahrzeuge, die pro Jahr hergestellt werden sollen, würden »richtig Geld bringen«, versichert er. Die müssten aber erst einmal verkauft werden. Die Verkaufsstrategen des Werkes sähen derzeit jedoch eine positive Entwicklung. Die Abwrackprämie habe aus Sicht der Eisenacher keine negativen Folgen für den dort gefertigten Corsa.

Völlig ungeklärt ist Lieske zufolge die Frage, wie die auf fünf Jahre aufgeteilten 260 Millionen Euro aufzubringen sind, mit denen sich die Beschäftigten an der Sanierung beteiligen und einen Anteil von zehn Prozent am Unternehmen erwerben sollen. Über das Einkommen gehe das auf keinen Fall, betont Lieske. Dazu müsste auf rund 40 Prozent des Lohns verzichtet werden. Angesichts der bevorstehenden komplizierten Verhandlungen stellt sich für den Betriebsratschef die Frage, wo bei den Partnern die Geduldsgrenze liegt. Davon wird letztlich abhängen, ob der Verkauf wirklich zustande kommt.

Bei einer Umfrage am Werkstor zeigen sich die Beschäftigten zugeknöpft. Noch sei nichts unterschrieben, sagt Klaus Schmidt gegenüber ND. Die Belegschaft wisse nicht, was auf sie zukommt. Ein anderer bekennt, die Leute hätten gemischte Gefühle. »Mehr sag ich nicht«, fügt er hinzu und verschwindet durch das Werktor.

Betriebsrat Fritz Hofmann zeigt sich weitaus gesprächiger. Die Zukunft hänge von Bedingungen ab, »die wir gar nicht kennen«, sagt er gegenüber ND. Auf die plötzliche Entscheidung für Magna macht Hofmann sich seinen eigenen Reim: »Ich bin sicher, die haben Obama noch etwas versprochen. Noch ein paar Milliarden hinterher zu schieben oder noch zehntausend Mann nach Afghanistan«, orakelt er. Außerdem könne es nach der Bundestagswahl auch heißen: »April, April«, und Magna sei wieder weg. Aber selbst wenn der kanadisch-österreichische Automobilzulieferer den Zuschlag erhält, ist das für den Betriebsrat kein Grund, eine Flasche Sekt aufzumachen. Magna sei einer der schlimmsten Blutsauger und plane drastische Einschnitte.

Neben dem Abbau von 10 500 Stellen in Europa sollten unter anderem die Betriebsrente, das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld abgeschafft werden. Die bezahlten Pausen und der freie Samstag würden ebenso infrage gestellt wie die derzeitigen Eingruppierungen. Magna sei extrem gewerkschaftsfeindlich, wolle den Betriebsrat abschaffen oder wenigstens auf Linie bringen. Da frage sich mach einer schon, ob es sich überhaupt noch lohnt, arbeiten zu gehen, schimpft Hofmann.

Der Betriebsrat sieht die finanzielle Beteiligung der Beschäftigten an der Sanierung mit »abenteuerlichen Summen« als höchst kritisch. »Das ist für mich keine Beteiligung, sondern eine Enteignung«, konstatiert Hofmann. Das Geld werde »irgendwo reingezahlt«. Wenn es gut geht, bekämen zwei Betriebsräte einen Aufsichtsratsposten und »das wars dann«. In der derzeitigen Krise müsse um jeden Cent und jeden Arbeitsplatz gekämpft werden. Nach dem Motto »wir sind jetzt mit Magna auf der sicheren Seite und müssen still halten« werde Stimmung gegen die Standorte in anderen Ländern gemacht, warnte Hofmann. Das sei extrem gefährlich“. Hofmann kündigte an, dass eine Eisenacher Delegation deshalb zu einer Demonstration nach Antwerpen fahren wird, wo das Opel-Werk geschlossen werden soll.

15 000 demonstrieren in Saragossa

Magna hat inzwischen nach Zeitungsberichten genaue Pläne für den Stellenabbau in Deutschland. Allein am Opel-Stammsitz in Rüsselsheim sollen demnach 1817 Stellen wegfallen, berichtet die »Welt am Sonntag« unter Berufung auf ranghoge Verhandlungskreise. 1100 Stellen davon entfielen auf die Verwaltung, der Rest auf die Produktion. In Deutschland will Magna insgesamt 4500 Stellen streichen. Am stärksten betroffen ist nach dem Bericht Bochum, wo 2045 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Eisenach bleibt verschont vom Stellenabbau, weil Produktionskapazitäten aus dem spanischen Saragossa nach Thüringen verlagert würden, schreibt das Blatt.

In Saragossa indes protestierten am Samstag rund 15 000 Menschen gegen einen möglichen Stellenabbau in Spanien. Die Demonstranten forderten den Erhalt des Werkes im nahegelegenen Figueruelas und drohten mit einem Streik. Die spanischen Gewerkschaften befürchten, dass in Figueruelas rund 1650 der insgesamt 7500 Jobs gestrichen werden. Die spanische Regierung hatte im Streit um die Opel-Rettung Berlin scharf kritisiert und eine genaue Prüfung der deutschen Hilfen durch die EU-Kommission gefordert.

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