»Scholzomat« soll es in Hamburg machen
In der Krise setzt die SPD in der Hansestadt auf einen alten Bekannten: Arbeitsminister Olaf Scholz wird Parteichef
Die einstige Hochburg der SPD bröckelt an allen Ecken und Kanten. Vor acht Jahren verloren die Sozialdemokraten die Macht im Hamburger Rathaus, jetzt geht ihnen auch bei Bundestagswahlen die Puste aus. Erstmals landeten sie hinter der CDU und verloren überdies drei Direktmandate. Die Folge: Der Hamburger Parteichef Ingo Egloff trat zurück, der scheidende Arbeitsminister Olaf Scholz soll ihn beerben.
Als Ingo Egloff am Montagabend im Kurt-Schumacher-Haus vor die Mikrofone trat, sagte er, was man bei einem Rücktritt so sagt: »Als Landesvorsitzender trage ich die politische Verantwortung für die schlimme Niederlage der Hamburger SPD bei der Bundestagswahl 2009. Der Landesverband hat trotz einer schwierigen Lage hervorragend gekämpft.« Es folgten der Dank an die Landesgeschäftsführerin, Mitglieder seines Kreisverbandes Wandsbek und »die vielen Helfer, die mir bei meinem Kampf um das Wandsbeker Mandat sehr geholfen haben«. Eben dieses Direktmandat hatte Egloff nicht ergattern können: Sein CDU-Kontrahent Jürgen Klimke lag mit 53 599 zu 51 220 Stimmen vorn.
Egloff zog mit seinem Rücktritt die Konsequenzen aus dem Wahldesaster. Der führungsschwache Sozialdemokrat hatte den undankbaren Job vor zweieinhalb Jahren nach der schweren Krise der Partei um gestohlene Stimmzettel bei einer Mitgliederbefragung zur Spitzenkandidatur für die Bürgerschaftswahl 2008 übernommen. Doch Egloff taugte nicht – wie erhofft – als Integrationsfigur. Wie wenig er seinen Laden im Griff hatte, zeigt der Fall Annen/Ilkhanipour im Wahlkreis Eimsbüttel – traditionell eine SPD-Hochburg. Der frühere Juso-Vorsitzende Danial Ilkhanipour hatte sich die Kandidatur gegen den profilierten SPD-Linken Niels Annen nur mithilfe fieser Tricks gesichert. Obwohl sich Eimsbütteler Genossen über den »Putsch« – Ilkhanipour hatte die Kampfkandidatur gegen Annen in letzter Sekunde erklärt, nachdem er sich mit fragwürdigen Methoden eine Delegierten-Mehrheit verschafft hatte – so sehr erregten, dass die meisten dem stets geschniegelt auftretenden SPD-Rechten die Unterstützung im Wahlkampf versagten, sprach Egloff kein Machtwort.
So schrieb Ilkhanipour gleich zweimal Geschichte – als Bösewicht und erster Sozialdemokrat seit 1957, der den Wahlkreis verlor. Eimsbüttel wurde zum Sinnbild für die Zerrissenheit der Hamburger SPD, die zur Bundestagswahl auf 27,4 Prozent (2005: 38,7 Prozent) abstürzte und neben Eimsbüttel die Wahlkreise Nord und Wandsbek an die CDU abgeben musste.
Jetzt sprechen in der SPD alle von personeller Erneuerung – und der Landesvorstand zaubert einstimmig einen alten Bekannten aus dem Hut: den Arbeitsminister und ehemaligen Kurzzeit-Innensenator Olaf Scholz, der sich in Altona immerhin mit 46 281 zu 38 845 Stimmen durchsetzen konnte. Am 6. November soll Scholz auf einem Parteitag gewählt werden. Ob er eine gute Wahl ist, darf zumindest bezweifelt werden. Einerseits ist er ein Polit-Profi, der Hamburg wie seine Westentasche kennt, über reichlich Erfahrung und gute Kontakte verfügt und bereits von 2000 und 2004 Landesvorsitzender war. Andererseits ist sein halbes Jahr als Innensenator 2001 noch in schlechter Erinnerung: Einst als linker SPDler mit Brandreden gegen den »staatsmonopolistischen Kapitalismus« gestartet, mutierte Scholz in Amt und Würden zum Law-and-order-Mann, der nun mutmaßlichen Drogendealern Brechmittel verordnete.
So wollte er sich gegen den aufstrebenden Rechtspopulisten Ronald Schill profilieren, dem im Wahlkampf die Herzen von knapp 20 Prozent der Hanseaten zuflogen. Die Folge: Die Hamburger wählten das Original. Die SPD verlor nach 40 Jahren die Macht an Alster und Elbe, Scholz wurde überraschend SPD-Generalsekretär. Er musste in dieser Funktion der sozialdemokratischen Wählerklientel Hartz IV schmackhaft machen und eine Serie verlorener Landtagswahlen erklären. In dieser Zeit heimste sich der 51-Jährige wegen seiner monotonen Monologe den Spitznamen »Scholzomat« ein.
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