Zuckerbrot und Peitsche

Nach dem Massaker redet Guineas Regierung von Aufklärung

  • Bernard Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.
Guineas Militärmachthaber Oberst Moussa Camara wechselt die Strategie. Nach der blutiger Niederschlagung einer Demonstration Oppositioneller hat er eine Regierung der nationalen Einheit in Aussicht gestellt.

Es hört sich an wie Zuckerbrot statt Peitsche. »Wir sprechen uns für die Bildung einer Regierung aus, der Mitglieder verschiedener Parteien angehören und deren Ziel die Organisation des Übergangs ist«, sagte ein Sprecher von Präsident Moussa Dadis Camara am Mittwochabend im staatlichen Fernsehen. Camara selbst hatte zuvor gefordert, eine Untersuchungskommission unter Führung der Vereinten Nationen solle das Massaker vom Montag aufklären. »Wir werden die Verantwortlichen für diese Tragödie finden und vor Gericht stellen«, tönte der 45-jährige Armeehauptmann am Dienstag und Mittwoch dieser Woche.

Voraus ging das Massaker am Montag im Stadion der Hauptstadt Conakry. Dort eröffneten Soldaten das Feuer auf eine gemeinsame Großveranstaltung der Oppositionsparteien, die am Vorabend in letzter Minute verboten worden war. Laut Angaben örtlicher Nichtregierungsorganisationen und der französischen Presse starben dabei mindestens 157 Menschen. Mutmaßlich kamen aber mehrere Hundert Menschen zu Tode, denn die Militärs durchkämmen seit Montagnachmittag die Krankenhäuser von Conakry und schaffen Schwerverletzte und Tote weg.

Die Militärregierung des Nationalen Rats für Entwicklung und Demokratie (CNDD) spricht hingegen von 50 Toten. Von ihnen seien 46 im Stadion durch andere Kundgebungsteilnehmer erdrückt worden, drei seien »durch Querschläger erwischt worden«. Die Schuld daran trage allein die Opposition, denn, so Dadis Camara, diese habe angeblich »zwei Polizeiwachen gestürmt und Waffen erbeuten wollen«.

Der westafrikanische Staat hat seit seiner Unabhängigkeitsrklärung 1958 keine Demokratie erlebt und kannte überhaupt nur zwei Präsidenten, bevor eine Gruppe junger Offiziere am 24. Dezember vorigen Jahres die Macht übernahm – nachdem einen Tag zuvor der Tod des alten Staatsoberhaupts Lansana Conté bekannt gegeben worden war.

Vom weihnachtlichen Machtwechsel hatten sich viele Guineer, und auch die Gewerkschaften, günstige Auswirkungen erhofft. Die jungen Offiziere, die hinter dem CNDD standen, waren zuvor – mangels Alter und Gelegenheit – nicht so stark in die weitverzweigten Netzwerke der Korruption verstrickt, die bis dahin das Regime geprägt hatten. Diese oligarchischen Netzwerke waren Teilhaber an der Ausplünderung des Landes durch internationale Konzerne, da ihre Angehörigen stärker an persönlicher Bereicherung durch Korruption interessiert sind – also bereit waren, Verträge über die Ausbeutung von Rohstoffen zu deutlichen Ungunsten ihres Landes zu unterzeichnen. Die jungen Offiziere versprachen, mit diesen Seilschaften aufzuräumen.

Doch schnell haben sich die Dinge gewandelt. Die Militärs haben rasch Gefallen an der Macht gefunden. Dadis Camara lebt zwar nach wie vor in spartanischem Stil in einer Kaserne, wie er immer wieder betont; aber überwiegend deswegen, weil er den eigenen Waffenbrüdern nicht über den Weg traut. Indem er mitten unter ihnen wohnt, sucht er eventuelle Putschversuche gegen seine Führung zu vereiteln. Seine Familie ist aber unterdessen längst in eine luxuriöse Villa in Conakry eingezogen.

Dadis Camara hatte noch im Juli hoch und heilig versprochen, nein, auf keinen Fall werde er »im Jahr 2009 Kandidat sein«. Nun wurde der Termin der Präsidentenwahl auf 2010 verschoben. Dann dürfte Camara – sofern er nicht über den derzeitigen Skandal stürzt – vom Putsch- zum »gewählten« Präsidenten aufrücken. Die Macht der Armee wäre dann ungebrochen. Sein militärisches Handwerk als Offizier hat er übrigens auf der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg sowie zwischen 1996 und 2000 bei Lehrgängen in Dresden und Leipzig gelernt.

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