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Kündigung nach Kritik
»Schwäbische Zeitung« entließ zwei Redakteure
Kreisredakteur Reck war mit kritischen Berichten aufgefallen, in denen es unter anderem um Mobbing in einer kirchlichen Behinderteneinrichtung, die restriktive Auszahlung von Sozialhilfe und Rechtsverstöße bei der Jagd ging. Insbesondere der CDU-Landrat und Landtagsabgeordnete Peter Schneider geriet dabei in die Kritik. Dahinten (59), 34 Jahre lang Redakteur der SZ und »Institution« in der Region, hatte als Recks Chef dessen Artikel ins Blatt genommen. Die Entlassung von Reck erfolgte aus »betrieblichen Gründen«, die Kündigung Dahintens sei wegen »andauernder Meinungsverschiedenheiten« nötig geworden, gab Chefredakteur Joachim Umbach in der »Unabhängigen Zeitung für christliche Kultur und Sport«, so der SZ-Untertitel, bekannt. Als Reaktion haben zehn Mitarbeiter der SZ-Redaktion Biberach in einer Erklärung gegen das »Klima der Angst« protestiert, das die »atemberaubend« schnelle Entfernung der Redakteure verursacht habe.
»Schockiert« über die Kündigungen nach »Gutsherren-Art« zeigte man sich bei ver.di. »Beide mussten innerhalb weniger Stunden nach Erhalt der Kündigung die Schreibtische räumen und wurden mit sofortiger Wirkung freigestellt«, teilte die Gewerkschaft mit. Nur wenige Stunden nach der »Säuberungs-Aktion« habe ein aus der Lokalredaktion Riedlingen abgezogener Kollege die Aufgabe übernommen. »Das geschah auf politischen Druck«, meinte der Ulmer ver.di-Chef Reinhard Gumz gegenüber ND. Für das örtliche »Aktionsbündnis Pressefreiheit« steht fest, dass CDU-Landrat Schneider und der örtliche CDU-Bundestagsabgeordnete Franz Romer Druck auf die Leutkircher Zentralredaktion der SZ ausgeübt haben, um die beiden Schreiber loszuwerden. Wohl auch wegen der aus CDU-Sicht ärgerlichen Wiederwahl des Sozialdemokraten Fettback zum OB in dem als erzkonservativ geltenden Biberach vor zwei Monaten. Der Verdacht liege nahe, dass der Herausgeber des Blattes, Graf Waldburg-Zeil, dessen Bruder jahrelang CDU-Bundestagsabgeordneter war, mit den örtlichen CDU-Größen kungelt. So sind gegen angeblich »SPD-lastige« Redakteure im Verlagshaus Protestschreiben von CDU-Funktionären eingegangen, berichtete der örtliche SPD-Kreisvorsitzende Martin Gerster. Dazu gehörten eben auch die entlassenen Redakteure Dahinten und Reck.
Die SZ nutze nun ihr Pressemonopol in der Region, um unbequeme Mitarbeiter mundtot zu machen, lautet der Vorwurf. Das Bündnis ruft deshalb zu Protestbriefen, Abo-Kündigungen und einem Anzeigenboykott auf und bemüht sich um die Etablierung eines Konkurrenzblättchens. Gemunkelt wird über eine Südausdehnung der in Ulm erscheinenden »Südwest-Presse«, die mit einer Biberacher Lokalausgabe auf den Markt kommen könnte. Möglich wäre aber auch, dass der »Südkurier« oder der »Schwäbische Bote«, die südlich bzw. westlich von Biberach erscheinen, die Gelegenheit nutzen.
Zusammen mit den Gewerkschaften, die wegen der betriebsbedingten Kündigungen vor das Arbeitsgericht gehen wollen, kämpft das Aktionsbündnis jedoch weiterhin für die Wiedereinstellung der beiden Journalisten bei der SZ. Damit allein wäre das grundsätzliche Problem ohnehin nicht gelöst, bemerkt Gerhard Manthey, im ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg zuständig für den Fachbereich Medien. »Das besteht in der mangelnden Unabhängigkeit der Zeitungsredaktionen, denn die zumeist konservativen Herausgeber nehmen immer wieder Einfluss auf die Inhalte ihrer Blätter.« Eine solche Unabhängigkeit müsse entweder in einem Redaktionsstatut festgeschrieben werden, das im Rahmen der Tarifverhandlungen ausgehandelt werden könne, oder in einem Presserechtsrahmengesetz festgelegt werden. »Nachdem in den siebziger Jahren intensiv über ein solches Gesetz diskutiert wurde, hat sich keine Bundesregierung mehr getraut, sich mit den Verlegern anzulegen«, sagte Manthey dem ND. Die Folge seien immer wieder Konflikte um die politische Ausrichtung eines Blattes, die häufig auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen würden.
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