Berlusconi mit Immunschwäche

Italiens Ministerpräsident ist von Strafverfahren bedroht und wähnt politische Verschwörung

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der Aberkennung seiner Immunität durch das Verfassungsgericht wähnt sich der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi wieder einmal als Opfer einer politischen Verschwörung der Linken. Präsident Giorgio Napolitano sei von einer »linken Mehrheit« gewählt worden und habe entsprechende Verfassungsrichter ernannt, erklärte Berlusconi.

Die 15 Verfassungsrichter hatten ein Gesetz für nicht verfassungskonform erklärt, das Berlusconi Immunität zusicherte. Nun droht ihm die Wiederaufnahme gleich mehrerer Strafverfahren, so wegen Steuervergehen und Korruption.

Die Reaktionen Berlusconis auf das Urteil des Obersten Gerichtshofes liegen zwischen Realsatire und indirekter Aufforderung zum Bürgerkrieg. Auf der einen Seite forderte er seine eigene Heiligsprechung, als er bei der Eröffnung einer Ausstellung über die Heiligen Europas erklärte: »Hier fehlt nur noch der Heilige Silvio!« Zudem münzte er den Schlusssatz aller offiziellen Ansprachen in Frankreich »Es lebe die Republik, es lebe Frankreich« in »Es lebe Berlusconi, es lebe Italien« um. Auf der anderen Seite aber malte er das Bild von einem Land, in dem Presse, Justiz und Staatspräsident, die seiner Meinung nach alle von »der Linken« kontrolliert werden, die Entscheidung umstürzen wollen, die das italienische Volk mit der Wahl getroffen hat. Was im Endeffekt nichts anderes heißt, als dass es im Land den Versuch eines Staatsstreiches gibt, auf den man reagieren muss.

Und gerade vor der möglichen Reaktion haben jetzt nicht wenige Italiener Angst. Wie könnte sie aussehen? Minister Umberto Bossi von der Lega Nord spricht offen von einer »Mobilisierung der Massen« und sogar von »Krieg«. Ein anderer Teil der Regierungsmehrheit will hingegen den Weg von Neuwahlen gehen. Berlusconi soll sich dem »Gottesurteil« des Volkes stellen, das er dank seiner überproportionalen Medienpräsenz – um es freundlich auszudrücken – möglicherweise erneut für sich entscheiden könnte.

Die dritte mögliche Reaktion wäre eine »parlamentarische«. Die Legislative könnte eine Reihe von Gesetzen verabschieden, die die Macht Berlusconis weiter festigen und Italien noch unliberaler machen: eine Einschränkung der Pressefreiheit, eine weitere Reform der Strafgesetzordnung, die Berlusconi vor einer möglichen Verurteilung wegen Korruption, Mafiazugehörigkeit und anderem retten würde, eine Neuverteilung der Kompetenzen zwischen den verschiedenen Staatsorganen, also zum Beispiel eine Schwächung der Rolle des Verfassungsgerichtes. Im Parlament hätte Berlusconi die Mehrheit für solch ein Vorgehen und seine Mehrheit ist weiterhin kompakt, auch wenn es inzwischen einige vereinzelte Stimmen gibt, die eine sogenannte Mäßigung anmahnen und vor einer Aushöhlung der formalen Demokratie warnen.

Die Opposition scheint bei all dem eine geringe Rolle zu spielen. Die Demokratische Partei erscheint in ihrem Inneren äußerst zerstritten und wenig aktionsfähig. Über ein »Uns stehen schwierige Zeiten bevor, aber wir werden wachsam sein« geht Sekretär Dario Franceschini zumindest bisher nicht hinaus. Italien der Werte um Antonio Di Pietro schimpft zwar lauthals, macht aber auch keine konstruktiven Vorschläge und die Zentrumspartei von Pierferdinando Casini denkt eher über eine mögliche Koalition mit Berlusconi als über seine Ablösung nach.

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