Opel rollt auf Umwegen zum Ziel
Verträge über Teilabtrennung von GM offenbar unterschriftsreif / Dennoch stockende Verhandlungen
Die Hürden auf der Zielgraden entsprachen dem monatelangen Hindernislauf, mit dem die Machtübernahme des kanadisch-österreichischen Magna-Konzerns und seines Finanzpartners Sberbank bei Opel verglichen werden kann. Die mit Spannung erwartete Unterzeichnung der Verkaufsvereinbarung in einem Frankfurter Notariat verzögerte sich am Donnerstag Stunde um Stunde. Grund ist das Vertragswerk von angeblich 600 Seiten, die einzeln verlesen werden müssen. Das könne noch bis Freitag dauern, erfuhr die Agentur Reuters aus Verhandlungskreisen.
Doch am Teilverkauf des Autoherstellers, der seit 1929 als Marke zu General Motors (GM) gehörte, kann kein Zweifel mehr bestehen. Nach dem GM-Bankrott wollen die US-Amerikaner 35 Prozent der Anteile behalten. Je 27,5 Prozent werden Magna und die Sberbank übernehmen. Die restlichen zehn Prozent gehen an die deutschen Opel-Beschäftigten als Ausgleich dafür, dass sie bis 2014 durch den Verzicht auf Urlaub- und Weihnachtsgeld mit jährlich 265 Millionen Euro zur Sanierung beitragen.
Heftige Kämpfe wurden in den europäischen Ländern mit Opel-Standorten noch um die Lastenverteilung bei den geplanten Stellenkürzungen ausgetragen. Denn Magna will nach der Übernahme rund ein Fünftel der über 50 000 Arbeitsplätze bei Opel und seiner britischen Schwesterfirma Vauxhall einsparen. Mit der britischen Gewerkschaft Unite war am Dienstag nach der Zusicherung, Kapazitäten von Deutschland in die beiden englischen Vauxhall-Werke zu verlagern, eine Einigung erzielt worden. In Spanien wurde am Donnerstag noch über das Ausmaß von Personaleinsparungen in Figueruelas bei Saragossa gestritten.
Vom Ausgang der Arbeitsplatzverhandlungen hängt entscheidend ab, ob auch andere als die deutsche Regierung finanzielle Lasten der Opel-Rettung übernehmen. Das Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel hatte vor der Bundestagswahl Kredite und Bürgschaften von 4,5 Milliarden Euro zugesichert. »Wir warten noch auf die jeweiligen Zusagen – wobei ich höre, dass die Stimmungslage in Großbritannien sehr viel besser geworden ist«, sagte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Konkrete Angaben liegen aus keinem der Länder mit Opel-Standorten vor, zu denen neben Spanien und Großbritannien auch Polen und Belgien gehören.
Der bevorstehende Deal wird in den deutschen Medien allerdings nicht gerade enthusiastisch gefeiert. Zu unsicher scheint ein Konzept, bei dem Magna und die Moskauer Sberbank entscheidend auch auf die Eroberung des russischen Marktes setzen. Doch der muss sich erst einmal von einem Einbruch um die Hälfte erholen. Ganz Argwöhnische sind wegen der Nähe der Sberbank zum zweitgrößten russischen Autobauer GAZ der Auffassung, die Finanzleute aus Moskau wollten mit der Opel-Beteiligung lediglich billig zu automobilem Know-how kommen.
Dass bei alldem die beteiligten Länder der europäischen Union bei der Stützung von Opel an einem Strang ziehen, ist unter anderem mit Blick auf die Kommission in Brüssel von Bedeutung. Erst wenn die EU die Staatshilfen abgesegnet hat, kann der Vertrag endgültig ratifiziert werden. Vorgesehen ist dafür der 30. November. Laut deutschen Zeitungsberichten wollen die neuen Mehrheitseigentümer dann erst genauere Auskunft geben, wie »New Opel« im Einzelnen aussehen wird.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.