Der lange Marsch nach Afrika
Peking gilt auf dem Kontinent als wichtiger Partner – mit eigenen Interessen
Vor 25 Jahren machte China Schlagzeilen mit dem Bau einer Eisenbahn zwischen Sambia und Tansania. Heute ist die asiatische Großmacht überall in Afrika präsent. Sie baut Staudämme in Ghana und Sudan, Straßen in Angola und Eritrea, Schulen und Kliniken in Kongo und das Konferenzzentrum der Afrikanischen Union im äthiopischen Addis Abeba. Vor allem aber engagiert sie sich bei der Förderung von Erdöl und Mineralien. Chinas Handel mit Afrika hat sich seit dem Jahr 2000 verfünffacht und könnte 2010 – wenn er einen Umfang von 100 Milliarden Dollar erreicht – den Afrika-Handel der USA übertreffen. Für Peking ist dies Teil einer unverhüllten strategischen Wirtschaftsoffensive.
Chinas Engagement ist umfassend und entspricht durchaus klassischen Mustern: Rohstoff- und Absatzmärkte werden erschlossen, Infrastrukturprojekte verwirklicht. Bei der Verfolgung seiner Interessen demonstriert Peking partnerschaftliches Auftreten ohne koloniale Arroganz. Man übernimmt auch kleinere Projekte, akzeptiert jeden Partner und stellt keine politischen Bedingungen. Die prinzipielle Nichteinmischung unter Hinweis auf die staatliche Souveränität des jeweiligen Partners wird im Westen häufig kritisiert. Insbesondere mit Verweis auf Investitionen im kriegserschütterten Sudan oder auf Waffenlieferungen und Kredite für Simbabwe heißt es, Peking unterstütze Diktatoren und akzeptiere Menschenrechtsverletzungen. Aber Afrika hat nicht vergessen, dass auch der Westen diesbezüglich nicht wählerisch war.
China flankiert seine Wirtschaftsoffensive außenpolitisch, wohl auch auf der Suche nach Verbündeten. 2006 kamen 48 afrikanische Staats- und Regierungschefs zum China-Afrika-Kooperationsforum nach Peking. Chinas führende Politiker besuchten Afrika bereits mehrfach. Dabei knüpft China an Traditionen der Unterstützung des antikolonialen Befreiungskampfes an. Statt von Solidarität ist heute jedoch von »neuer strategischer Partnerschaft« und »wirtschaftlicher Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen« die Rede. 31 afrikanischen Staaten wurden die Schulden erlassen, 28 Staaten wurden Zollerleichterungen gewährt. Afrika ist ein Schwerpunkt chinesischer Entwicklungszusammenarbeit.
Nicht nur, dass die nach dem Ende des Kalten Krieges drohende ökonomische Marginalisierung des schwarzen Kontinents dank des chinesischen Engagements gebremst wurde – der Aufschwung Chinas und Indiens hat auch Afrikas Wirtschaftswachstum gefördert. Südafrikas Handelsminister Rob Davies würdigt auch deshalb China neben Indien und Brasilien als wichtigen Partner. Der Süd-Süd-Handel soll ungünstigen Auswirkungen der Globalisierung entgegenwirken. Darüber hinaus hat China mit seiner aktiven Afrikapolitik, seinem ökonomischen Potenzial und dem Gewicht in internationalen Organisationen Afrikas politischen und ökonomischen Handlungsspielraum gestärkt. Nach Jahren erzwungener einseitiger Ausrichtung hat man dort wieder eine Wahl.
Wirtschaftliches Hauptziel Chinas in Afrika ist jedoch der Bezug von Rohstoffen und Energieträgern. Die Erdölproduzenten Angola, Nigeria, Kongo, Sudan und Äquatorialguinea erbringen allein 85 Prozent der chinesischen Importe aus Afrika. Beglichen werden sie oft mit Bauleistungen: Straßen und Eisenbahnen, Staudämme und Wasserkraftwerke entstehen.
Allerdings sind die über 800 chinesischen Unternehmen in Afrika – neben zentralen Staatsbetrieben solche einzelner Provinzen, aber auch Privatunternehmen – nicht unumstritten. Der Einsatz zahlreicher chinesischer Arbeiter, Billiglöhne für einheimische Kräfte und die Missachtung gesetzlicher Regelungen wecken manche Ressentiments. Das gilt auch für Importe billiger Konsumgüter aus China, die in Afrika zu Arbeitsplatzverlusten führten.
Angesichts von Schlagzeilen über einen »Sturm Chinas auf Afrika« raten Beobachter jedoch zu Nüchternheit. Chinas Einsatz wird überschätzt, chinesische Investitionen in Afrika stehen noch in keinem Verhältnis zu denen des Westens. Und die Afrikaner sind nach Jahrzehnten neokolonialer Ausbeutung kritisch. China ist für sie derzeit ein nützlicher Partner – mit durchaus eigenen Interessen.
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