Gericht bestätigt »Schandurteil«
Altenpflegerin verliert Job wegen sechs mitgenommener Maultaschen
Radolfzell (Agenturen/ND). Die Altenpflegerin hatte gegen ihre fristlose Kündigung nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit geklagt: Ihre Klage wurde abgewiesen. Die Frau hatte die Maultaschen von der Verpflegung der Heimbewohner abgezweigt. Sie wären nach ihrer Darstellung im Müll gelandet. Zudem sei es gang und gäbe, übriggebliebenes Essen zu verzehren. Ihr Arbeitgeber, die städtische Spitalstiftung Konstanz, betrachtete die Mitnahme der Maultaschen jedoch als Diebstahl. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört, eine Weiterbeschäftigung unmöglich, betonte der Anwalt der Stiftung.
Arbeitsrichterin Sabine Adam gab ihm Recht und widersprach im Urteil den Angaben der Klägerin. Diese habe die gefüllten Teigtaschen in einer Tasche versteckt mit nach Hause nehmen wollen. Die Frau dagegen gab an, sie habe sich die Maultaschen im Heim aufwärmen wollen. Nach einem langen Arbeitstag und vor einer anschließenden Fortbildung habe sie keine Möglichkeit gesehen, ihren Hunger auf andere Art zu stillen.
Adam betonte, dass die Pflegerin damit gegen die ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers verstoßen habe. Es sei verboten gewesen, sich mit Essen der Heimbewohner zu bedienen. Für das Personal werde täglich eine Extra-Verpflegung zum Preis von 3,35 Euro angeboten. »Der einzelne Arbeitnehmer kann nicht seinen Willen nach Gutdünken und gegen ein bestehendes Verbot über denjenigen des Arbeitgebers stellen«, heißt es im schriftlichen Urteil.
Das Arbeitsgericht hatte zuvor zu vermitteln versucht. Die Pflegerin sollte eine Abfindung von 25 000 Euro bekommen, wenn sie die Kündigung annimmt. Das lehnte die Frau jedoch ab. Sie wollte ihren Teilzeitjob behalten.
Der Anwalt der Altenpflegerin zeigte sich enttäuscht. Angesichts der langen Beschäftigung der 58-Jährigen wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen. Er hege den Verdacht, dass der Arbeitgeber seine Mandantin habe loswerden wollen. »Man hat einen Grund gefunden und ist auf den Zug aufgesprungen«, vermutete er.
Die Gewerkschaft ver.di spricht von einem »Schandurteil«. Es öffne »den Arbeitgebern Tür und Tor, unliebsame Beschäftigte rauszuschmeißen, ohne sich mit ihnen auseinandersetzen zu müssen«, kritisierte Berthold Maier, ver.di- Bezirksleiter Schwarzwald-Bodensee, am Freitag in Konstanz.
Kündigungen aus Bagatellanlässen sorgten in den vergangenen Monaten mehrfach für Aufsehen. Zuletzt machte der Fall einer 59-jährigen Sekretärin des Bauverbands Westfalen in Dortmund Schlagzeilen. Sie hatte eine für den Chef und seine Gäste bestimmte Frikadelle mit zwei Brötchenhälften gegessen und kämpft nun um ihren Job.
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