Unordnung im Ohr
In einer Berliner Klinik werden Schwindelgefühle abtrainiert
Die 69-jährige Regina R. aus Berlin hat eine vierjährige Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, ehe sie bei Prof. Thomas Lempert landet. Noch ein Jahr nach einem Verkehrsunfall, bei dem sie schwere Kopfverletzungen erlitt, klagte sie trotz Gymnastik über Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Erbrechen. Trotz ihres Alters immer noch in der Firma ihres Mannes als Prokuristin tätig, sehr agil, sportlich und reiselustig, fühlte sie sich von da an stark beeinträchtigt.
Orthopäden, HNO-Ärzte und Neurologen konnten nicht helfen. Vor allem fühlte sie sich als AOK-Patientin nicht ernst genommen, denn länger als 15 Minuten hatte keiner der Ärzte für sie Zeit. »Ich hatte das Gefühl, als wäre etwas in meinem Kopf locker«, beschreibt sie ihren Zustand. Nach vier Jahren erfolgloser Behandlungen besteht sie auf einer Kernspintomographie, die aber auch nichts bringt. Endlich erhält sie eine Überweisung in die Schlosspark-Klinik.
»In den meisten Fällen können wir bei den Betroffenen bereits am ersten Behandlungstag die genaue Ursache für ihren Schwindel feststellen«, freut sich der Schwindelexperte. »Das ist entscheidend, um die Beschwerden durch eine zielgerechte und individuelle Behandlung rasch zu lindern.« So ist es auch bei Regina R. Nach einem 60-minütigen Gespräch stellt Lempert seine Diagnose: gutartiger Lagerungsschwindel. Dann beginnt er gleich mit der Behandlung. Der gutartige Lagerungsschwindel lässt sich nach Kenntnis des Experten durch ein Lagerungstraining erfolgreich behandeln.
Nach einer ersten Anleitung kann der Patient zu Hause weiter trainieren. Man braucht für die Übung eine gefaltete Decke. Die Übung beginnt im Sitzen und wird im Liegen fortgeführt. Es sind ganz konkrete Bewegungsfolgen mehrmals täglich durchzuführen. Mit großer Skepsis ließ Regina R. die Übungsanleitungen über sich ergehen, denn die Übelkeit wurde hierbei noch schlimmer. Zu Hause bestand ihr Mann darauf, dass sie das Training fortsetzt. Ohne den rechten Glauben an einen Erfolg ließ sie sich darauf ein. Als sie am nächsten Morgen ohne die bekannten Symptome aufwachte, konnte sie es kaum fassen. Seit zwei Monaten lebt sie nun schwindelfrei.
Lempert erklärt das so, dass der gutartige Lagerungsschwindel ebenso wie beispielsweise der Ausfall eines Gleichgewichtsorgans auf eine Funktionsstörung im Innenohr zurückgeht. Das Gleichgewichtsorgan, das sich im Innenohr befindet, enthält neben den Bogengängen, die Drehbewegungen wahrnehmen, auch die Otolithenorgane, die aus zahlreichen kleinen Kristallen bestehen und für gerade Bewegungen und Lageänderungen des Kopfes zuständig sind. Durch eine Schädelverletzung wie sie beispielsweise Regina R. erlitt, lösen sich die Kristalle von ihren Sinneszellen ab und siedeln sich im nahe gelegenen hinteren Bogengang an. Dadurch kommt es zu Reizungen der Sinneszellen und dem Drehschwindel.
Wenn nun der Arzt bei der Therapie den Kopf des Patienten in der Ebene des Bogenganges schrittweise dreht, bis die Ohrsteinchen aus dem Bogengang herausgebracht sind, um sich dann in anderen Winkeln des Gleichgewichtsorgans abzulagern, hat er sein Ziel erreicht – die unerwünschten Reizungen bleiben aus und damit das Schwindelgefühl. »Nach ein bis drei Durchgängen sind über 90 Prozent der Patienten beschwerdefrei«, so Lempert abschließend.
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