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Tribunal setzt Prozess ohne Karadzic fort

Frühere bosnisch-serbische Präsidentin Biljana Plavsic aus schwedischer Haft freigelassen

  • Lesedauer: 2 Min.
Der ehemalige Präsident der Serbischen Republik in Bosnien, Radovan Karadzic, ist seinem Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien (ICTY) auch am zweiten Tag ferngeblieben.

Den Haag/Belgrad (AFP/ND). Der US-amerikanische Ankläger Alain Tieger nannte Karadzic (64) am Dienstag den »Oberkommandierenden« der ethnischen Verfolgung in Bosnien. Karadzic sei sowohl »Architekt« der Politik als auch Anführer der Kräfte gewesen, die die »dauerhafte Entfernung« bosnischer Muslime und bosnischer Kroaten aus dem von Serben beanspruchten Teil Bosnien-Herzegowinas umsetzten, sagte Tieger in seinem mehrstündigen Plädoyer zur Begründung der Anklage. Dabei habe Karadzic »Recht und Menschlichkeit« missachtet.

Karadzic nimmt an dem Prozess nicht teil, weil er mehr Vorbereitungszeit für seine Verteidigung fordert. Richter O-Gon Kwon aus Südkorea hatte ihm am Montag mit Zwangsmaßnahmen gedroht. Am Dienstag sagte er, Karadzic müsse mit den Folgen seines Fernbleibens leben.

Dem Angeklagten werden Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt. Die Anklageschrift umfasst elf Punkte. Im Mittelpunkt stehen die Massaker von Srebrenica, denen mehr als 7000 muslimische Jungen und Männer zum Opfer gefallen sein sollen. Die Klagen beziehen sich auch auf die mehrjährige Belagerung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, während der rund 10 000 Menschen ums Leben kamen.

Die inzwischen 79-jährige Biljana Plavsic, 1996 Nachfolgerin Karadzics im Präsidentenamt, wurde am Dienstag nach Verbüßung von zwei Dritteln ihrer elfjährigen Haftstrafe aus einem schwedischen Gefängnis entlassen. Bei der Ankunft vor ihrer Wohnung in Belgrad sagte Plavsic: »Ich bin glücklich, nach neun Jahren frei zu sein.« Plavsic war im Februar 2003 vom Haager Tribunal verurteilt worden. Ihre vorzeitige Freilassung wegen guter Führung entspricht den Bestimmungen des schwedischen Strafrechts. Das Tribunal hatte sich im September damit einverstanden erklärt.

Plavsic stellte sich im Januar 2001 freiwillig den Richtern und bekannte sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bosnienkrieg (1992-1995) schuldig. Das Tribunal ließ daraufhin die anderen Anklagepunkte gegen Plavsic fallen, darunter den des Völkermordes.

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