Diplomatische Spiele

EU-Außenamt und Personalfragen auf Agenda

Während das offizielle Programm des Herbstgipfels den Klimawandel, die ökonomische Situation in der EU und regionale Entwicklungsstrategien vorsah, setzten die Außenminister am Montag noch weitere Punkte auf die Tagesordnung. So soll es insbesondere um die Einrichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) gehen – und um Personalfragen.

Gerade was das im Lissaboner Vertrag vorgesehene »EU-Außenministerium« anbelangt, hatten die europäischen Institutionen in den vergangenen Tagen hektische Betriebsamkeit an den Tag gelegt. Nicht nur die Außenminister beschäftigten sich mit dem Thema – in der vergangenen Woche hatte auch das Europaparlament den Vorschlägen der schwedischen Ratspräsidentschaft zugestimmt. So soll der künftige »Außenminister« der EU über ein eigenes Budget verfügen und selbst über die Verwendung der Gelder und die Einstellung von Mitarbeitern entscheiden können. Der künftige Chefdiplomat vereinigt die Posten des bisherigen EU-Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik und den Kommissarsposten für Äußeres; ab 2012 ist er für außenpolitische Fragen sowie für Einsätze im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zuständig. Gerade letzteres sieht die Linke in Europa kritisch: Eine »mögliche Vermengung militärischer Planungsaufgaben mit geheimdienstlichen Strukturen und allgemeinen diplomatisch-politischen Aufgabenstellungen, noch dazu ohne demokratische Kontrollmöglichkeiten«, sei in keiner Weise akzeptabel, erklärte der deutsche Abgeordnete Helmut Scholz im Europaparlament.

Mehr zum Hinterzimmerthema dürfte dagegen die seit Wochen laufenden Personaldebatte in der EU werden. Zwar ließ die Ratspräsidentschaft zu Wochenbeginn verlauten, Entscheidungen über die Besetzung der Posten eines jeweils zweieinhalb Jahre amtierenden EU-Präsidenten und des »Außenministers« werde es auf dem Brüsseler Treffen nicht geben. Aber selbst wenn es dazu, wie von Stockholm ins Gespräch gebracht, im November einen Sondergipfel geben sollte, müssten jetzt die Vorentscheidungen über die EU-Spitzenbeamten fallen. Denn wenn der Lissabon-Vertrag zum Jahreswechsel in Kraft tritt – vorausgesetzt, das Abkommen wird in Prag ratifiziert –, bleibt für »Besetzungsgespräche« keine Zeit mehr.

Unmittelbar vor dem Gipfel hatte sich der bislang aussichtsreichste Bewerber für das EU-Spitzenamt, der frühere britische Regierungschef Tony Blair, zu Wort gemeldet. Er wolle nur Ratspräsident werden, falls er »umfassende Vollmachten« bekomme und eine »strategische Rolle« in der EU spielen dürfe.

Obwohl inzwischen auch die bisher skeptischen Franzosen Zustimmung zu Blair signalisierten, ist eine Wahl des Briten keineswegs sicher. Nicht nur wegen der zahlreichen Ausnahmen vom EU-Recht, die London für sich in Anspruch nimmt und Zweifel an der »Europatauglichkeit« nähren. Vor allem kleinere Staaten befürchten eine Dominanz der Großen in der EU. »Wir brauchen Superstars als unsere Vertreter, die aber nicht nur die Belange der Großen berücksichtigen«, sagte Litauens Außenminister Vygaudas Usackas.

Als Kompromisskandidat könnte sich die Gipfelrunde auf Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker (Foto: dpa) einigen. Der dienstälteste europäische Regierungschef gilt als ausgesprochen EU-freundlich und als guter Vermittler zwischen divergierenden Interessen. Juncker hatte am Dienstag überraschend seinen Hut in den Ring geworfen – wohl nicht zuletzt, um der EU eine weitere Krise zu ersparen.

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