Schaltet Merkel die Ampel aus?

Thilo Bode über die Nährwertkennzeichnung auf Lebensmittelpackungen / Thilo Bode ist Gründer und Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig – Schaltet Merkel die Ampel aus?

ND: Herr Bode, Foodwatch will eine Kennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen, die den Zucker-, Salz- und Fettgehalt mit Grün, Gelb und Rot angibt. Welche Vorteile hat diese Ampelkennzeichnung?
Bode: Im Supermarkt muss man sich schnell entscheiden können. Farben und Symbole sind für jedermann einfach verständlich. Gesundheitspolitisch ist die Kennzeichnung wichtig, weil unsere Nahrungsmittel mittlerweile oft zu fett-, zu zucker- und zu salzhaltig sind. Das wiederum verursacht ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes und sorgt für enorme Kosten im Gesundheitswesen. Eine Ampel hätte also auch präventive Wirkung.

Schon jetzt werden auf jeder Lebensmittelverpackung sowohl Zutaten als auch Nährwerte angegeben. Warum ist das für Sie nicht ausreichend?
Es ist die Einfachheit und Erkennbarkeit, die wir einfordern. Die bisherigen Prozentangaben sind zu kompliziert und oftmals gezielt irreführend, so dass auch die Zuckerbombe wie ein Fitnessprodukt wirkt. Natürlich hat eine Ampel auch Rückwirkungen auf die Rezepturen. Kein Konzern will gerne rote Punkte auf seinen Frühstücksflocken haben. Die Kennzeichnung wird also dazu führen, dass der Salz- und Zuckergehalt der Lebensmittel zurückgehen wird.

Die neu gewählte Regierung hat bereits angekündigt, die Kennzeichnung nicht einzuführen. Ist die Lebensmittelampel damit gestorben?
Überhaupt nicht. Die Entscheidung fällt in Brüssel und nicht in Berlin. Falls die Europäische Union entscheidet, dass Mitgliedsstaaten auf nationaler Ebene die Ampel verpflichtend einführen können, dann geht die Diskussion in Deutschland erst richtig los.

Ihr Vorschlag wird angeblich von 70 Prozent der Deutschen begrüßt. Auch Ärztevertreter und Krankenkassen sind auf Ihrer Seite. Warum aber schaltet Schwarz-Gelb auf Stur?
In der Politik entscheiden nicht immer die besseren Argumente, sondern viel öfter Profitinteressen und Macht.

Offenbar steht die Regierung Merkel auf der Seite der Lebensmittelkonzerne.
Die Vertreter der Lebenwmittelwirtschaft sitzen ja praktisch mit am Kabinettstisch. Das Verbraucherministerium ist im Grunde ein Klientelministerium für Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft.

Was haben die Lebensmittelkonzerne davon, wenn die Ampel nicht kommt?
Das wäre sehr positiv für sie, weil Zucker und Salz Geschmacksträger sind. Überzuckerte und kräftig gesalzene Lebensmittel verkaufen sich gut. Man kann sogar angebliche Diätprodukte mit zu viel Zucker und Fett anreichern. Eine Kennzeichnung, wie wir sie befürworten, kann also durchaus einen negativen Einfluss auf den Umsatz der großen Nahrungsmittelkonzerne haben.

Auch die Europäische Union ist in dieser Frage gespalten. Wie stehen die Chancen, dass das Europaparlament im kommenden Frühjahr die Ampelkennzeichnung beschließt?
Dass eine verpflichtende Ampel für alle Mitgliedsstaaten beschlossen wird, halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Es gibt aber die Chance, dass in die europäische Gesetzgebung eine sogenannte Öffnungsklausel aufgenommen wird. Danach können Mitgliedsstaaten, die das für nötig halten, die Ampel einführen. Damit wäre aus unserer Sicht schon einiges erreicht.

Fragen: Christian Klemm

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