Angekündigte Tragödie auf Ischia

Todesopfer durch Erdrutsch / Geologen erklärten den Berg schon vor Jahren zu einer gefährdeten Zone

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach schweren Regenfällen hat am Dienstag auf der italienischen Insel Ischia ein Erdrutsch einen Menschen getötet und etwa 20 zum Teil schwer verletzt. Mit »Naturkatastrophe« hat das aber – mal wieder – wenig zu tun.

Der Parkplatz am Hafen von Casamicciola ist eine einzige Schlamm- und Gerölllandschaft, aus der einige vollkommen zerbeulte Autoteile herausragen. Am Dienstagmorgen, kurz vor Schulbeginn, löste sich vom etwas oberhalb gelegenen Berg Epomeo eine riesige Lawine und stürzte auf die Piazza vor der Schule hinab. Dutzende von Autos wurden mit ihren Insassen ins Meer gerissen. Ein junges Mädchen könnte nur noch tot geborgen werden, die Verletzten – fast alles Schulkinder – werden jetzt im Krankenhaus von Ischia und in der Kinderklinik von Neapel behandelt.

Für die Experten ist dieser Erdrutsch alles, nur keine Überraschung. Der Vorsitzende der Geologenvereinigung der Region Kampanien Francesco Russo spricht sogar von einer »angekündigten Tragödie«: »Wir haben schon von Jahren erklärt, dass dieser Berghang oberhalb der Straße gefährdet ist und mit immer größerem Nachdruck Maßnahmen gefordert«, erklärt er. »Aber trotzdem wurden die notwendigen Arbeiten nicht ausgeführt. Es ist zu wenig Geld da und bei jedem Haushaltsgesetz werden zuerst die Gelder für die Sanierung des Territoriums gestrichen.«

Ganz Ischia befindet sich – geologisch gesehen – in einem kritischen Zustand. Vor drei Jahren begrub schon einmal eine Schlammlawine mehrere Häuser unter sich; damals starb ein Vater mit seinen drei Kindern und 250 Menschen wurden obdachlos. Und schon damals hieß es: Der Berg muss gepflegt, neue Bäume müssen gepflanzt werden, um den Lehmboden besser zu halten, das Regenwasser muss Abflussmöglichkeiten bekommen. All das ist nicht passiert.

Stattdessen wurde auf der Insel im Golf von Neapel, die für ihre heißen Quellen in der ganzen Welt berühmt ist, weiter gebaut: Hotels und Pensionen, Restaurants und Boutiquen, aber auch große Ferienvillen – und die vor allem an den Hängen, wo man eine besonders schöne Aussicht genießt. In einigen dieser Villen – alle mit hohen Mauern drum herum und von Privatpolizisten mit großen Hunden bewacht – wohnen Personen, die der Polizei bekannt sind. Es sind die Camorrabosse aus Neapel, die in Ischia, das man mit den Schnellbooten in nur einer Stunde erreichen kann, die Sommerfrische verbringen.

Und dass sich diese Herren nicht an Baugenehmigungen halten oder im Zweifelsfall genau wissen, was man tun kann und muss, um auch dort zu bauen, wo es »eigentlich« nicht erlaubt ist, ist bekannt. In den Sommermonaten, so weiß man bei der Polizei, findet man auf Ischia mehr Camorristi als in Neapel ...

All das ist – wie gesagt – bekannt. Ebenso auch die Tatsache, dass größere Regenmassen ganz leicht zu Erdrutschen führen können. Tragödien wie gestern könnten sich also schon bald wieder ereignen.

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