Wohnungen statt Lagerdasein
Kreis Wittenberg erwägt, Asylheim aufzulösen
»Flüchtlingslager Möhlau schließen, Flüchtlinge integrieren!« riefen hundert Demonstranten, darunter viele Flüchtlinge, am Samstag in Wittenberg. Organisationen wie die Internationale Liga für Menschenrechte unterstützen die Veranstaltung der Flüchtlingsinitiative Möhlau. Bundesweit solle die Heimunterbringung von Asylbewerbern beendet werden, forderten die Demonstranten.
Möglich, dass nun immerhin für die Sammelunterkunft in Möhlau eine Wende kommt. Eine Arbeitsgruppe solle in den nächsten Monaten die Möglichkeit dezentraler Unterkünfte erkunden, erläutert Ronald Gauert, Sprecher des Landrats Wittenberg: »Wir sind noch bis Mitte 2010 im Vertrag mit dem Heimbetreiber. Nun werden Alternativen mit dezentralen Wohnungsunterkünften für alle Heimbewohner gesucht.« Dazu würde Kontakt mit Vermietern aufgenommen. Ebenso wie die Wohnsituation sei jetzt auch die Gutschein-Verwaltung »auf dem Prüfstand«.
Im Juli hatten die Flüchtlinge schon einmal in der Lutherstadt für Wohnungen demonstriert. Damals war das Heim ins Licht der Medien gerückt, nachdem ein Bewohner an Brandverletzungen gestorben war. 180 Menschen leben im Flüchtlingsheim Möhlau, einer früheren Kaserne im Wald, darunter viele Kinder.
Heimbewohner Salomon Wantchoucou hat die Initiative gegründet. »Auf die Flüchtlinge hier«, sagt er, »trifft das oft benutzte Wort von der Integration nicht zu. Sie müssen weite Wege zu den Behörden und zu ärztlicher Versorgung zurücklegen. Meistens zu Fuß.« Busfahrten könnten nicht bezahlt werden. Das Heim liegt sieben Kilometer entfernt vom Ort Gräfenhainichen, 30 Kilometer von Wittenberg.
Der Protest vom Sommer habe Wirkung gezeigt, glaubt Frauke Sonnenburg vom Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt. Am 3. November gab es einen runden Tisch Verwaltung, Kreistag und Flüchtlingsunterstützern auf Initiative von Anwohnern und der Evangelischen Akademie in Wittenberg.
Auch der Flüchtlingsrat sei für eine Schließung, so Sonnenburg: »Diese Art von Unterkunft macht psychisch und körperlich krank.« Der isolierte Standort erschwere soziale Betreuung. Die Flüchtlinge bräuchten einfache Wege zu den Beratungsstellen. »Einzig sinnvoll wären darum Wohnungen in der Stadt Wittenberg.«
Auch Horst Dübner von der Linkspartei im Kreistag will eine »gründliche Überprüfung« sowohl der Unterbringung als auch des Gutschein-Systems. »Wir sind im Austausch mit der Stadt Sangerhausen, wo ein Übergang zu dezentralen Unterbringungen erfolgreich war.« Zudem sei eine Besprechung mit Parteikollegen der Bundesebene angesetzt. Aus Berlin werde berichtet, dass eine Bargeld-Auszahlung sich als kostengünstiger gezeigt habe als die Gutschein-Verwaltung. Auch diese steht in der Kritik der Flüchtlinge: Gutscheine seien diskriminierend und erschwerten den Alltag unnötig, sagt Wantchoucou.
Es scheint ein Stein ins Rollen zu kommen. Ein Sprecher der Organisation »Karawane Halle« sagt aber, die »Prüfung« der Heime und Gutscheine reiche noch nicht. Deshalb würden jetzt Unterschriften gesammelt. Im Dezember sollen sie dem Landrat übergeben werden.
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