»Der Rio Grande ist längst ein toter Fluss«
Perus »Held der Umwelt« Marco Arana über die Folgen des Bergbaus
ND: Die Zahl der Umweltkonflikte in Peru steigt – wie beurteilen Sie die aktuelle Situation?
Zerran: Die sozioökologischen Probleme in Peru haben sich merklich verschärft. Dass ist eine Folge der staatlichen Politik, die Ausbeutung von Rohstoffvorkommen landesweit voranzutreiben. Die Bilder des Konflikts im Amazonasgebiet, in Bagua, gingen um die Welt, weil Tote zu beklagen waren. Doch es gibt eine ganze Reihe weiterer Konflikte: In Piura, nahe der Grenze zu Ecuador, versucht die Regierung, das Bergbauprojekt Majaz durch die Militarisierung der gesamten Region durchzusetzen. In Tacna gibt es derzeit Proteste gegen eine Mine, weil die Bevölkerung um den Zugang zum Wasser fürchtet. Auch in Cajamarca fürchten die Bauern, dass die Mine Yanachocha die zentralen Wasserressourcen für sich beanspruchen könnte. Die Liste der strittigen Bergbauprojekte ist lang, aber es gibt auch Widerstände der Zivilgesellschaft gegen die Anlage von Stauseen nahe Puno und nahe Cuzco.
Sie haben die Proteste in Cajamarca angesprochen. Droht dort der Angriff auf den letzten Berg, den Cerro Quilish, unter dem die zentrale Wasserader der Region verlaufen soll?
Genau, das Unternehmen, ein Konsortium aus dem US-amerikanischen Minenunternehmen Newmont Mining, der peruanischen Bergbaugesellschaft Buenaventura und der Weltbank hat ein Auge auf den Berg geworfen. Der liegt in direkter Nachbarschaft der neuen Anlage. Und der einzige Grund, weshalb es den Berg noch gibt, ist der Widerstand der Bevölkerung.
Wie argumentiert denn das Unternehmen, und welche Befürchtungen hat die Bevölkerung?
Das zentrale Argument der Bevölkerung ist die Tatasche, dass am Berg der Fluss Porcón entspringt, der wiederum in den Rio Grande fließt. Doch der Rio Grande ist längst ein toter Fluss, denn er bezieht sein Wasser nunmehr aus einem Plastikrohr von der Mine. Der einzige natürliche Fluss, denn wir noch haben, ist der Porcón, und deshalb machen sich vor allem die Bauern große Sorgen um die Wasserversorgung. Wenn der Quilish verschwindet, so die Angst, wird auch der Fluss verschwinden. Das würde die Wasserversorgung der Stadt Cajamarca beeinträchtigen, gefährdet aber vor allem die Lebensgrundlage der Bauern – die Landwirtschaft. Zudem ist der Quilish ein nationales Symbol, denn 2004 hat sich die Bevölkerung der Region erstmals gegen dessen Abbau gewandt – erfolgreich.
Nehmen die Konflikte zwischen Bauern und Bergbauunternehmen um das Wasser in Peru zu?
Ja, nicht nur in Cajamarca, sondern landesweit. Aber in Cajamarca sind die Auswirkungen des El- Niño-Klimaphänomens sehr deutlich, und wir haben es immer wieder mit Phasen großer Trockenheit zu tun. Cajamarca gehört zudem zu den Regionen Perus, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Deshalb ist es unverantwortlich, eine natürliche Wasserquelle zu zerstören. Man sollte den Berg in Ruhe lassen und auf die Ausbeutung des Goldes verzichten.
Wer bestimmt in Cajamarca über die Wasserverteilung – gibt es schon eine Konzentration in den Händen des Unternehmens?
Wir sprechen über ein Unternehmen, das auf 26 000 Hektar Fläche operiert, und seit der Aufnahme der Bergbautätigkeit sind bereits zehn Lagunen verschwunden. Das andere Problem, von dem wir betroffen sind, ist die Kontaminierung des Wassers mit Schwermetallen aufgrund der Bergbautätigkeit.
In die Region rund um Cajamarca drängen doch auch andere Bergbauunternehmen. Wie verhält sich denn die Regierung dazu?
Anglo American, Rio Tinto, Newmont mit einem weiteren Projekt, genauso wie die Südafrikaner und die Chinesen drängen in die Region. In einigen Bereichen von Cajamarca sind hundert Prozent der Flächen konzessioniert – für die Regierung hat der Bergbau Vorrang.
Aber Cajamarca ist doch eine Agrarregion und nicht ganz unwichtig für die nationale Versorgung – ist das nicht widersprüchlich angesichts der knappen Agrarfläche in Peru?
Ja, aber in Peru denkt man kurzfristig. Wenn die Forellen sterben, ist das bedauerlich, aber fällt nicht ins Gewicht, wenn man genug Geld hat, um welche in Chile zu kaufen. Wenn der Käse knapp wird, wird er eben importiert – es wird nicht langfristig gedacht, wie man das Land entwickeln kann. Der Staat agiert zudem nicht im kollektiven Interesse der Bewohner, sondern im Interesse des privaten Kapitals – der Investoren. Und darüber hinaus reden wir über einen Staat, der hochgradig korrupt ist. Diese drei Faktoren sind wesentlich für die Entwicklung Perus in den letzten Jahren. Das ist auch der Grund, weshalb überall und nirgends Bergbaukonzessionen vergeben werden – auch in ökologisch sehr sensiblen Regionen. Zudem ist die Umweltbewegung in Peru fragmentiert und zu schwach, um die Regierung unter Druck zu setzen.
Ist das der Grund, weshalb Sie in Peru eine neue Partei gründen?
Ja, Tierra y Libertad (Land und Freiheit) soll sich für die Rechte der Bevölkerung einsetzen und nicht für die Rechte der Unternehmen. Wir wollen ein Gegengewicht sein zur Politik der Regierung und beginnen derzeit gerade damit, Unterschriften für die Gründung zu sammeln.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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