Fischer gegen ThyssenKrupp
Brasilianer wehren sich gegen deutsches Stahlwerk
Betroffene Anwohner und Menschenrechtsorganisationen aus Brasilien haben die deutsche Regierung am Montag in Berlin aufgefordert, im Konflikt mit dem Stahlkonzern ThyssenKrupp zu schlichten. Im Bundesstaat Rio de Janeiro im Südosten Brasiliens hat der deutsche Konzern im September 2006 gemeinsam mit dem brasilianischen Partnerunternehmen Companhia Vale do Rio Doce mit dem Bau eines Stahlwerkes begonnen. Seither stößt das Vorhaben auf wachsenden Widerstand der Fischer und Anwohner der Bucht von Sepetibá. Auf einer Rundreise in Deutschland werben sie nun um Unterstützung.
»Wir fordern von der Regierung in Berlin, dass sie die Auswirkungen deutscher Direktinvestitionen kontrolliert und überprüft, ob die daraus entstehenden Projekte mit Menschenrechtsstandards über- einstimmen«, sagte im ND-Gespräch Isac Alves de Oliveira. Der Vertreter des lokalen Landarbeiter- und Fischereiverbandes AAPP-Guaratiba wirft ThyssenKrupp mangelnde Gesprächsbereitschaft und berechnendes Vorgehen vor. Sein Engagement im nordbrasilianischen Bundesstaat Maranhão habe ThyssenKrupp aufgrund des massiven sozialen Widerstandes inzwischen einstellen müssen, so de Oliveira.
Doch habe der Konzern aus dem Konflikt gelernt: »Vor Beginn der Arbeiten haben Vertreter von ThyssenKrupp gezielt soziale Akteure kontaktiert, um sie auf die eigene Seite zu ziehen.« Vermutlich seien in diesem Zusammenhang auch Bestechungsgelder bezahlt und Wahlkampagnen gezielt finanziert worden. Für ThyssenKrupp steht viel auf dem Spiel: 4,5 Milliarden Euro habe der Stahlkonzern in das Stahlwerk »Companhia Siderúrgica de Atlântico« investiert, heißt es in einer Informationsbroschüre des Berliner Forschungszentrums FDCL. Eine CDU/CSU-Delegation bewarb das Megaprojekt nach einem Besuch im März 2008 als »eindrucksvoll« und »ökonomisch sinnvoll«.
Fischer und lokale Anwohner sehen das anders. Das im Bau befindliche Stahlwerk habe schon jetzt die Existenzgrundlage von über 8000 Fischerfamilien vernichtet. Zu den Forderungen der Protestbewegung gehören deswegen auch Entschädigungszahlungen. »Deutschland muss darauf achten, dass die hier geltenden Umweltauflagen auch im Ausland beachtet werden«, so de Oliveira.
Der Protest hat ihm und Luis Carlos da Silva Oliveira einige Probleme bereitet. Nachdem rund 40 Fischerboote ein Industrieschiff blockierten, das den Grund der Bucht von Sepetibá aushob, damit Lastkähne passieren können, wurden die Protagonisten der Bewegung angefeindet. Der Aktivist berichtete, wie ihn ein führendes Mitglied des Werksschutzes persönlich bedrohte. »Inzwischen gibt es Videobeweise, dass Mitarbeiter des Werkes in paramilitärischen Milizen aktiv sind«, so da Silva Oliveira. Nachdem ihn Unbekannte von einem Auto aus mit einer Schusswaffe bedrohten, wird er vom Staat geschützt und wechselt häufig seinen Wohnsitz.
Trotz der massiven Bedrohungen sind die Aktivisten nach der Rundreise zuversichtlich. In Deutschland habe man mit Parteienvertretern und Gewerkschaftern der IG Metall gesprochen, sagte de Oliveira. Die Kontakte sollen nun ausgebaut werden.
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