Nebenjob beim Verfassungsschutz
Studenten spionieren für den Geheimdienst die linke Bewegung aus
Der Brandenburger Linkspartei-Abgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann soll als 17-jähriger Schüler eine Verpflichtungserklärung für die Stasi-Mitarbeit unterschrieben haben. Konkrete Bespitzelungsvorwürfe sind über ihn nicht bekannt. Trotzdem kostet das Papier 39 Jahre später dem Politiker die Karriere. Die »tageszeitung« (taz) schreibt von einem richtigen Schritt für die politische Kultur. Dabei wird nicht erwähnt, dass sich junge Menschen auch heute oft aus Geldmangel zur Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz bereit erklären.
So wurde in den vergangenen Jahren aus mehreren Städten Fälle von Studierenden bekannt, die gegen Bezahlung als informelle Mitarbeiter für den Verfassungsschutz arbeiteten. Sie sollten sich als politisch interessiert ausgeben, Veranstaltungen linker Gruppen besuchen und darüber berichten. Unter den Zielgruppen waren antifaschistische Initiativen, aber auch Umweltgruppen und Bündnisse gegen Sozialabbau.
Das Berliner Sozialforum war vor einigen Jahren Objekt mehrerer Studenten mit Nebenjob beim Verfassungsschutz. Die informellen Besucher, die teilweise Seminare eines politisch engagierten Politologen besucht hatten und sich mit dieser Legitimation leichter Zugang zur politischen Szene verschaffen konnten, berichteten sehr detailliert über die Arbeit des offen tagenden Sozialforums. Das wurde erst bekannt, als ein Mitglied des Sozialforums Einsicht in seine Akte bekam. Dort fand er detaillierte Berichte auch von kleinen Arbeitsgruppen. Daraus konnte dann auf die Verfasser geschlossen werden.
Eine andere Form, informelle Mitarbeiter zu ködern, machte Mitte der 90er Jahre an der Freien Universität (FU) Berlin Schlagzeilen. Ein Student war bei einer Antifa-Aktion von der Polizei kontrolliert und darauf angesprochen worden, einen Kommilitonen zu bespitzeln, der sich angeblich publizistisch mit dem linken Widerstand beschäftigt hat. Um an den Kommilitonen ranzukommen, sollte der Student den gleichen Kurs besuchen und darüber mit ihm ins Gespräch kommen. Der Angeworbene machte das Spiel zum Schein mit und ging dann an die Presse.
Mittlerweile wurde bekannt, dass auch Hartz IV-Betroffene für den Job beim Verfassungsschutz rekrutiert werden sollten. Lehnten sie ab, konnten sogar Leistungskürzungen drohen, schrieb die »Bild«-Zeitung. Ob es dazu kam, ist nicht bekannt.
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