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Von Kleingeist und Menschheit
Werner Makowskis Lyrik ist hochgemut heiter – wegen so trauriger Zeiten
In einer Art Nachwort, einem »Brief an einen jüngeren Weggenossen«, benennt Werner Makowski sein Credo: Schönheit sei herstellbar, die Welt verbesserungsfähig, das Leben gestaltbar. »Wenn der Inhalt bitter ist, die klassischen Formen sind heiter.« Und so strahlen diese Gedichte – viele kleine Meisterstücke elegantest gesetzter Genauigkeit und Stimmigkeit – einen verblüffend souveränen Bejahungscharme aus. Kaum verwunderlich, dass dies in Polemik wider Heiner Müller enden muss, »das bietet jedes Magengrimmen/ als Weltschmerz … Der Mensch ist ein Tier,/ sagt das, und zündet die Zigarre./ Ja, sagen wir, aber die Mühe lohnt,/ es kann ein Mensch werden, /trotz furchtbarster Wahrheit,/ jetzt und auch fürderhin«.
Der Eislebener beherrscht die alten gediegenen Versformen, er schreibt Sonette und Epigramme, Vierzeiler und Elegien, setzt gelungene Reime; er hat den spöttischen, unsentimentalen Herunterblick eines Peter Hacks, dem er mehr als ein Gedicht widmet: »Tief im Mißmut weicht/ er aus in Schönheit,/ macht noch unterm Fels/ sich leicht.« Und »jene Sonne, die Homer beschien,/ stand hoch auch über seinem Weg«.
Ich las im Schmalband eines mir unbekannten Autors und hatte am Ende der Lektüre die wohltuende Gewissheit, einen Dichter entdeckt zu haben. Makowski? Jahrgang 1950, Chemiker, dann Student am Leipziger Literaturinstitut, Mentor: Peter Gosse. Der vorliegende Band bündelt Gedichte von 1998 bis 2006. Über seine Heimatstadt Eisleben schreibt er: »Mein Städtchen ist ein enges Vaterland./ Der miese Kleingeist füllt es bis zum Rand./ Warum ich hier verharre: Hören Sie,/ wer das besteht, dem stirbt die Menschheit nie.«
Trotz allem: Weltgeschichtliche Hoffnung pocht in den Gedichten, ohne dass Makowski einen Bogen schlüge um Trauer und Sterbensfurcht, Verlassenheit und Vergeblichkeit. Aber das Klagen hätte keinen Klang ohne das Lob der Welt in den Ohren; die porträtierte Finsternis wäre nicht zu verstehen ohne die Ekstasen des Lichts, die hier gefeiert werden. Und noch das Spiel mit Fatalismen des Lebens steigert sich zum zwinkernden Stil eines Eugen Roth: »Wir sind hineingeboren in die Zeiten/ und retten uns in Tätigkeiten.«
Makowski schreibt über Weimar und den Glückswechsel, er dichtet Couplets und denkt über eine Göttin humaner Staatsvernunft nach, er betrachtet den sanften Schmerz, den Beginn des 19. Jahrhunderts und den Gezeitenwechsel – diese Lyrik ist ganz hingerissene Erfahrung eines Ausdrucksvermögens, das am kapitalen Unvermögen der Welt nicht Schaden, sondern aufmunternd Anteil nimmt. Mit Gedichten, »der kleinen Gattung für traurige Zeiten«, und traurige Zeiten sind's, denn »der Spätkapitalismus hat keine Kunst, weil er keine benötigt«. Wie gesagt: Hacks!, Antiromantik!, stolz darauf sein, nicht zum Ruhme zu gelangen.
In diesem Buch stehen leise, schmerzlich schlichte und lustvoll pathetische Gedichte. Sie bewegen sich rührend oder ironiekühl zwischen Sinn und Unsinn, Tiefgefühl und Nonsens. Über die »Versunkene DDR« heißt es: »Die Dächer warn kaputt, die Menschen heil,/ Hierorten sieht man meist das Gegenteil.« Dort, wo ein Dichter am besten ist, weiß man nie, ob er spottet oder trauert.
Werner Makowski: Stille Gesellschaft. Gedichte. Verlag André Thiele. 160 S., geb., 16,90 €.
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