Politik in der Grauzone
Experten diskutierten über den zunehmenden Einfluss von Lobbyisten
Während überall im Land Redaktionen verkleinert oder zusammengelegt werden, wächst die Zahl der Lobbyisten und PR-Berater. Den etwa 50 000 Journalisten hierzulande stehen 280 000 PR- und Werbeprofis gegenüber. Mit diesen Zahlen konfrontierte Moderator Hans Jürgen Arlt die Gäste einer Diskussionsveranstaltung im 13. Stock des Internationalen Handelszentrums. Hoch über den Dächern Berlins diskutierte man über verdeckten Lobbyismus. Auf dem Podium saßen Ulrich Müller von der Organisation Lobbycontrol, der »Stern«-Reporter Hans-Martin Tillack, Lobbyist Wolfram Hertel sowie der Chef des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR), Richard Gaul. Sie alle waren der Einladung von berlinpolis-Chef Daniel Dettling gefolgt. Erst vor wenigen Tagen war die Skandal-Agentur vom DRPR gerügt worden – bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr.
Denn die selbst ernannte »Denkfabrik« betreibt ein schmutziges Geschäft: verdeckte Meinungsmache für Auftraggeber wie die Deutsche Bahn oder den Verband der Biokraftstoffindustrie. Doch Dettling sieht sich nicht als Täter, sondern als »Träger politischer Kommunikation«, wie er in seiner Eröffnungsrede betonte. Nach den vergangenen Skandalen soll bei berlinpolis nun alles transparenter werden. Doch bevor das Publikum ihm das glauben konnte, meldete sich ein Journalist des »Tagesspiegel« zu Wort. In dem Berliner Blatt habe Dettling sich als unabhängiger Verkehrsexperte ausgegeben und einen Beitrag für die Meinungsseite geschrieben. Pikanterweise sprach er sich in dem Artikel für einen Bahn-Börsengang aus. Was Dettling den Lesern verschwieg: Zur selben Zeit bekam er viel Geld von der Bahn, um den Börsengang populär zu machen. Dettling wiegelte ab: »Jeder zweite Meinungsbeitrag in deutschen Zeitungen ist doch interessengeleitet.«
Um solche Fälle verdeckter Einflussnahme zu vermeiden, bräuchte die Bundesrepublik endlich ein Lobbyistenregister und verbindliche gesetzliche Regelungen, forderte der Lobbyismus-Kritiker Ulrich Müller. Auch weil Lobbyisten mittlerweile schon Gesetze verfassten. Der Wirtschaftsanwalt Wolfram Hertel konterte: Es sei egal, ob ein Gesetz von einem Beamten oder einem Anwalt verfasst wurde. Hertel arbeitet für die Wirtschaftskanzlei Hogan & Hartson Raue und verriet den verblüfften Zuhörern, er habe vor fünf Jahren im Auftrag der rot-grünen Regierung »über Nacht« ein Gesetz schreiben müssen. Leider wollte Hertel nicht verraten, um welches Gesetz es sich damals handelte. Der Lobbyist weiß, dass seine Arbeit umstritten ist. Bekommt jemand Wind von seiner diskreten Tätigkeit, dann reicht er den Entwurf an einen offiziell unabhängigen Verband weiter. So leitet man Gesetze in die Wege.
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