Vertragsentwurf aus Moskau
Russland wirbt für einheitlichen Sicherheitsraum zwischen Atlantik und Pazifik
Mit einem solchen Vertrag solle »das Erbe des Kalten Krieges« endgültig gebrochen und ein einheitlicher Sicherheitsraum vom Atlantischen bis zum Stillen Ozean geschaffen werden, hieß es in einer Presseerklärung. Das Abkommen soll allen Staaten Europas, unabhängig von ihrer Mitgliedschaft in anderen Bündnissen, zum Beitritt offen stehen. Sie hätten das Recht, einem bewaffneten Überfall auf eines der Mitglieder als Aggression gegen sich selbst zu betrachten und einander militärischen Beistand zu leisten, bevor UN-Sanktionen greifen.
Sicherheit, sagte der russische Präsident am Freitag im belarussischen Minsk, sei unteilbar. Eigene Sicherheit könne und dürfe nicht auf Kosten anderer gewährleistet werden. Der Vertragsentwurf sehe daher auch Verfahren zum Konfliktmanagement vor, was nach dem Krieg im südlichen Kaukasus 2008 besonders wichtig sei. Damals hatte Georgien versucht, das abtrünnige Südossetien zurückzuerobern. Weil über 80 Prozent der Bevölkerung Südossetiens Bürger Russlands sind, deren Schutz Verfassungsgrundsatz ist, hatte Moskau eingegriffen. Russische Soldaten waren dabei zeitweilig tief in georgisches Kernland eingedrungen.
Das vor allem hatte für eine Trübung im Verhältnis des Westens zu Russland gesorgt. NATO und EU hatten ihre Kontakte zu Moskau zeitweilig reduziert und gemeinsame Projekte ausgesetzt.
Ganz sind die Irritationen bis heute nicht überwunden. Das ist aber nicht der Hauptgrund dafür, dass sich die Begeisterung über einen Europäischen Sicherheitsvertrag, für den Medwedjew schon im Juni 2008 in Berlin – vor dem Waffengang im Südkaukasus – geworben hatte, bisher sehr in Grenzen hält. Die Staaten Westeuropas argwöhnen, ein Sicherheitsvertrag mit Russland könnte mit den Verpflichtungen kollidieren, die sich aus ihrer NATO-Mitgliedschaft ergeben.
Ganz grundlos sind derartige Befürchtungen nicht. Medwedjew ging mit dem Projekt unmittelbar vor der Tagung des Russland-NATO-Rates an die Öffentlichkeit. Bei den Konsultationen von Außenminister Sergej Lawrow mit seinen westlichen Kollegen am kommenden Donnerstag wird es vor allem um eine mögliche Zusammenarbeit in und um Afghanistan gehen. Gerade dort aber gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Positionen der Westeuropäer und denen Washingtons. Moskau dürfte versuchen, aus diesen Differenzen politisches Kapital zu schlagen.
In Moskau nimmt man auch andere Haarrisse im transatlantischen Bündnis zur Kenntnis. Das betrifft die Raketenabwehr in Europa und das Thema Iran ebenso wie den überarbeiteten Vertrag über konventionelle Streitkräfte und Rüstungen in Europa (KSE), den Deutschland nun doch ratifizieren könnte, wie Außenminister Guido Westerwelle bei seinem Antrittsbesuch in Moskau andeutete.
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