»Lissabon« erleuchtet den Advent
EU-Reformvertrag seit gestern in Kraft / Politiker loben den »Zugewinn an Demokratie«
Brüssel (AFP/ND). Der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, wertete den Vertrag von Lissabon als »Zugewinn an Demokratie«. Mit dem Dokument würden die Befugnisse des Europaparlaments beträchtlich ausgeweitet, schrieb Buzek in einem Beitrag für die Internet-Seite des Parlaments. Das Straßburger Parlament werde erstmals über die Agrarausgaben der EU beschließen, die bisher »fast ausschließlich von den nationalen Landwirtschaftsministerien kontrolliert wurden«. Auch über die Vergabe der Strukturfonds-Mittel an die ärmeren Regionen werde die EU-Volksvertretung nun gleichberechtigt mit dem Ministerrat entscheiden, fügte Buzek hinzu. Das Gleiche gelte für die Einwanderungspolitik und den Außenhandel. Die Ausweitung der Befugnisse bedeute »fast eine Verdoppelung« der Macht des Europaparlaments.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte, die Union verfüge nun über die nötige Stabilität, um ihre ganze Energie »auf Dinge zu richten, die den Europäern wirklich wichtig sind«. Dazu zählten vor allem die Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise und die auf 2020 angelegte Strategie für ein umweltfreundliches Wachstum.
Der EU-Reformvertrag soll die erweiterte EU mit ihren 27 Mitgliedstaaten handlungsfähiger machen. Mit dem Vertrag wurden erstmals die Spitzenposten eines ständigen Ratspräsidenten und eines EU-»Außenministers« geschaffen. Neuer Ratspräsident ist der Belgier Herman Van Rompuy, designierte »Außenministerin« die Britin Catherine Ashton.
Außerdem wurden im Reformvertrag die Mehrheitsentscheidungen im Rat erheblich ausgeweitet. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Staaten mit ihrem Veto Beschlüsse blockieren. Dies wird künftig neben der Außen- und Sicherheitspolitik nur noch bei Steuerfragen und einigen sozialpolitischen Maßnahmen möglich sein. In allen Bereichen, über die der Rat per Mehrheit beschließt, hat das Europaparlament nun ein Mitentscheidungsrecht.
Van Rompuy begann eine Reihe von Antrittsbesuchen in den EU-Hauptstädten. Erste Station war Slowenien. Seine Amtsführung werde sich durch »Kontinuität und Kohärenz« auszeichnen, sagte der Belgier. Politisch werde er sich aber bis zum Ende der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft Ende Dezember nicht äußern.
Das Inkrafttreten des Vertrages sollte am Abend in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon gefeiert werden. Der Reformvertrag war bereits im Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet worden. Er konnte aber erst in Kraft treten, nachdem alle 27 Mitgliedstaaten das Regelwerk ratifiziert hatten.
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