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Hilfe für schwimmende Panzer

Auf La Réunion im Indischen Ozean schützt und erforscht man Meeresschildkröten

  • Steffi Schweizer
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei einer Zählung fanden Forscher vor zehn Jahren an einem Strandabschnitt auf der französischen Überseeinsel La Réunion nur noch zwei Meeresschildkröten. Heute sind es bei der gleichen Zählmethode immerhin schon 100. Keine absolute Zahl, aber ein ermutigendes Zeichen. Dabei lebten die Verwandten der Dinosaurier schon auf der Insel vor Südafrika, als sie noch unbewohnt war.

Dreimal jährlich legt die Chelonia Mydas, wie die Meeresschildkröte mit ihrem wissenschaftlichen Namen heißt, an den Stränden ihre Eier ab – für Vögel, und die mit menschlicher Hilfe zugewanderten Katzen, Hunde und wilden Schweine Leckerbissen. Nur ein Prozent der Jungtiere erreicht das Erwachsenenalter. Sie werden von Haien angegriffen, verfangen sich in Fischernetzen. Das war und ist noch immer so. Doch der größte Feind war 300 Jahre lang der Mensch. Er jagte die Giganten der Meere, tötete und verzehrte sie. Die Panzer wurden zu Schmuck, die Haut zu Leder verarbeitet. Da, wo heute im Observatorium »Kélonia« kranke und verletzte Tiere gesund gepflegt werden, wo ihre Lebensweise und Verbreitung erforscht, wo Einheimische wie Touristen aufgeklärt werden, stand bis 1989 eine Farm, die Hunderte Tiere züchtete und schlachtete. In Freiheit kamen sie kaum noch vor. Umdenken brachte erst das internationale Washingtoner Artenschutzübereinkommen. Wer heute mit Schmuck aus Schildpatt ohne Zertifikat handelt oder ausreist, muss mit Strafe rechnen.

Das Meeresschildkröten-Observatorium existiert seit 2006 und wird zu einem Drittel von der Europäischen Union finanziert, denn die Überseeinsel besitzt den Status eines französischen Departments. »Etwa 100 000 Besucher kommen jedes Jahr, nicht gerechnet die Schulklassen,« sagt Muriél Douyere vom Observatorium. »Eintrittsgelder und Einnahmen aus dem Verkauf von Kalendern, Postern, T-Shirts und anderen Dingen fließen in den Unterhalt der Einrichtung und in die Forschung.« Ein Außenbecken sowie ein Unterwasseraquarium, das die bis zu 90 Kilogramm schweren Tiere nur durch eine dicke Glasscheibe vom Besucher trennt, aber auch ein Raum über die Geschichte, ein »Ort der Zukunft«, eine Forschungsabteilung und die Krankenstation beschäftigen sich mit allen wichtigen Fragen rund um die ungewöhnlichen Tiere.

Mitarbeiter bilden Bewohner eines Dorfes auf der Nachbarinsel Mohéli aus, damit auch dort die Meeresschildkröten nicht mehr im Suppentopf enden. Ihr Schutz kann viel eher den Tourismus ankurbeln. Der Biologe Manfred Enstipp aus Frankfurt am Main untersucht im Auftrag des Wissenschaftszentrums CNRS Strasbourg den Energiebedarf der Meerestiere. »Zeit und Energie sind Eckpfeiler in der Ökologie,« erklärt der 47-Jährige. »Letztendlich geht es immer um den Nahrungsbedarf. Es ist wichtig zu wissen, welche Bedürfnisse ein Tier hat. Wenn Mensch und Tier um die gleiche Nahrungsquelle konkurrieren, gibt es Interessenskonflikte.«

Im Nachbarraum wird ein verletztes Tier behandelt, das Fischer nach einer Haiattacke ins Observatorium gebracht haben. Ob es überlebt, ist fraglich. Doch seit 2006 legen die Giganten der Meere wieder ihre Eier in Freiheit ab. »Früher haben Seefahrer die Meeresschildkröten als Monster beschrieben, heute sind sie unsere Freunde«, sagt Muriél Douyere.

Weiterführende Informationen: www.kelonia.org

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