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Ehrenwert
Klaus Joachim Herrmann über die Bundesklage gegen Berlin
Dank aller möglichen Filme ist die Anrede »ehrenwert« für Richter geläufig. In dem heutigen Fall, der mündlich vor dem 1. Senat des Bundessozialgerichtes in Kassel verhandelt wird, sollte solche Anrede freilich dem Beklagten gelten. Dies ist das rot-rot regierte Land Berlin. Dieses muss sich der klagenden Bundesrepublik erwehren.
Da geht es um die Forderung der Zentralmacht nach 47 Millionen Euro Schadenersatz nebst Zinsen. Versteckt hinter Paragrafen, Absätzen, Sätzen, Nummern moniert die bundesstaatliche Obrigkeit im Kern eine mehrjährige Praxis der Sozialverwaltung von Ex-Senatorin Heidi Knake-Werner (LINKE) zugunsten Arbeitsuchender. Denen wurde statt des bundesgesetzlichen Zwangsumzuges nach sechs Monaten die Möglichkeit eingeräumt, sich erst einmal ein Jahr lang mit vollem Einsatz um Arbeit zu kümmern. Der Wechsel in angemessenen Wohnraum sollte erst nach einem Jahr erfolgen müssen.
In dieser Zeit waren die Aussichten Betroffener auf Wiederbeschäftigung naturgemäß größer als in nur einem halben Jahr. Von dem wären auch kostbare Wochen für Wohnungssuche und Umzug draufgegangen. Abgesehen von der Lähmung, die von solchem Zwang ausgelöst werden kann. Es ließen sich auch Kosten sparen, die jetzt der Bund sicher nicht gegenrechnen will. Egal, wie die Richter in Kassel das getreu den Paragrafen sehen mögen, die Berliner Lösung war sozial und vernünftig, Anliegen und Vorgehen ehrenwert.
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