Die Deutsche Bahn will London anfahren
Offenbar Interesse an ICE-Direktverbindung und am Einstieg bei Eurostar
Eurostar ist ein britisch-französisch-belgisches Gemeinschaftsunternehmen und betreibt die Personenzüge durch den Eurotunnel unter dem Ärmelkanal. Bislang blieb deutschen ICE-Zügen aufgrund strikter Sicherheitsauflagen der Zugang zum Tunnel versperrt. Dies werde mit einer zu erwartenden Änderung der Feuerschutzbestimmungen hinfällig, berichtete kürzlich die »Financial Times Deutschland«. Außerdem suche der staatliche britische Eurostar-Miteigentümer London&Continental Railways (LCR) dringend einen Käufer für seinen 40-prozentigen Anteil an Eurostar.
Bahnreisende zwischen Köln und London müssen derzeit in Brüssel Süd umsteigen und sich dort vor dem Einstieg in den Eurostar einem Eincheck-Prozedere wie auf einem Flughafen unterziehen. Laut DB-Chef Rüdiger Grube ist die Verbindung Köln-Brüssel-London »hochattrakiv« und könne mit einer Million Fahrgäste pro Jahr rechnen. Die Bahn habe von der für die Sicherheit im Kanaltunnel zuständigen Aufsichtsbehörde noch keine offizielle Zusage erhalten, erklärte ein DB-Sprecher auf ND-Anfrage. Für die Londoner Behörde bestätigte Richard Clifton dem ND, die Deutsche Bahn habe in dieser Sache mit seinem Hause erste Gespräche geführt. Ein offizieller Antrag sei jedoch noch nicht eingegangen.
Berichte über ein Interesse der DB an Eurostar-Aktien wollte der Bahnsprecher nicht kommentieren. Aber Beobachtern zufolge würde ein solches Investment dem Drang der DB-Manager nach europaweiter Expansion und Eroberung neuer Märkte entsprechen. Gegen einen Einstieg der DB bei Eurostar hatte sich bisher die französische Staatsbahn SNCF gesträubt, die sich ebenfalls Hoffnungen auf eine Vorherrschaft auf dem kontinentaleuropäischen Schienenmarkt macht.
Ein Verkauf der LCR-Aktien durch die britische Regierung käme einer Privatisierung des letzten staatlichen Bahnunternehmens auf der Insel gleich, kritisiert indes die britische Bahngewerkschaft RMT. Sie verweist auf einen massiven Kahlschlag, den die DB-Güterbahn seit dem Erwerb des britischen Konkurrenten EWS angerichtet habe. Um den ICE ohne teure Nachrüstung durch den Eurotunnel fahren zu können, dränge die DB auf eine Verwässerung der hohen Sicherheitsstandards bei Brandschutz und Evakuierungsplänen, bemängelt RMT-Sekretär Mick Lynch. Absichten der DB wie auch der französischen Fluggesellschaft Air France, London mit eigenen Zügen in Konkurrenz zum Eurostar zu bedienen, beschleunigten die Angriffe auf Löhne und Arbeitsbedingungen, warnt die RMT.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.