Die neuen Spekulationsblasen

Auf den globalen Finanzmärkten wird bereits die nächste Krise vorbereitet

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Finanzkrise hat ihre Hauptursache nicht bereinigt: Noch immer gibt es Geldvermögen im Überfluss, das nach Rendite strebt.

Am Beginn dieses Jahres stand die Furcht vor bzw. die Hoffnung auf einen Zusammenbruch des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus. Dieser überstand jedoch die tiefste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren. Maßgeblich trug dazu der Staat bei: Für Konjunkturprogramme und Bankenrettung brachten die Industriestaaten Billionen auf, und die ebenfalls vom Staat angetriebene Konjunkturlokomotive China zog die Weltwirtschaft. So beziffert der Internationale Währungsfonds (IWF) das Minus in 2009 mittlerweile »nur« noch auf 1,1 Prozent.

Verlierer, aber natürlich auch Gewinner

An Verlierern mangelt es trotzdem nicht. Die EU-Kommission billigte in der Adventszeit die höchste Staatshilfe, die je einem einzelnen Unternehmen gewährt wurde. Für die Rettung der Royal Bank of Scotland (RBS), einst Nummer eins in Europa, wird der britische Staat bis zu 111,5 Milliarden Euro aufbringen. Vergleichbar kostspielig dürfte die Quasi-Pleite des Immobilienfinanziers Hypo Real Estate (HRE) den deutschen Steuerzahler kommen. Und in den USA könnte die einst weltgrößte Privatkundenbank Citigroup trotz staatlicher Hilfen im Malstrom der Bedeutungslosigkeit untergehen. Mittlerweile droht ganzen Ländern oder Bundesstaaten die Zahlungsunfähigkeit, etwa dem Sonnenscheinstaat des Gouverneurs Arnold Schwarzenegger, Kalifornien, einigen baltischen Staaten und selbst dem Euroraummitglied Griechenland geht finanziell die Puste aus.

Wo Verlierer sind, gibt es auch Gewinner. Die Investoren in den angeschlagenen Staaten werden zukünftig höhere Zinsen erhalten und die führenden Industriestaaten werden ihren Vorsprung gegenüber den Krisenstaaten ausbauen können. Solider aufgestellte »Global Player« wie die Deutsche Bank, die ohne direkte Staatshilfen durch die Krise rauschen, werden frühere Konkurrenten auf dem globalen Finanzmarkt verdrängen: Schon für 2011 strebt die Deutsche Bank einen Rekordgewinn von zehn Milliarden Euro an. Auch die spanische Banco Santander, die französische BNP Paribas, die schweizerische Credit Suisse und die britische Barclays fahren in diesem Krisenjahr wieder Milliardengewinne ein. Zu den Gewinnern zählt auch die bislang eher kleine Commerzbank. Sie hat Staatshilfe bekommen, damit sie die Übernahme der Dresdner Bank verkraften kann, gab Hannes Rehm, Deutschlands oberster Bankenretter, in einem Interview zu.

Es waren Investmentspezialisten, die im Sommer 2007 die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise mit spekulativen Wertpapieren auf US-amerikanische Schrottimmobilien auslösten. Nun tragen die Investmentsparten bei den überlebenden Geldhäusern maßgeblich zu einem neuen Boom bei. Kaum war die US-Investmentbank Lehman Brothers beerdigt worden, stieg schon im März eine neue Spekulationsflut hoch. Gold und Silber, Rohstoffe und Aktien, ja selbst wieder Immobilien wurden zu Spekulationsobjekten. Der Goldpreis verdoppelte sich auf über 1000 Dollar und der deutsche Aktienindex DAX erklimmt die 6000-Punkte-Marke (Ende 2008: 3600 Punkte).

Hinter den neuen Spekulationsblasen auf vielen internationalen Finanzmärkten steht ein altes Problem: Der Reichtum weniger Milliardäre und Konzerne sucht nach rentablen Geldanlagen. Diese Nachfrageflut treibt dann die Kurse von Gold, Aktien oder Immobilien nach oben. Überfluss hatte 2007 auch die Weltwirtschaftskrise ausgelöst.

Von Notenbanken geflutete Geldmärkte

Die aktuellen Antikrisenrezepte verschärfen noch den Problemdruck. Notenbanken überall auf der Welt fluten die Geldmärkte mit vielen Milliarden Dollar, Euro und Yen, um die (private) Bankwirtschaft zu stabilisieren. Allein die US-Notenbank Fed stellte so viel Geld zur Verfügung, dass die Bilanzsumme der US-Banken von knapp 800 Milliarden Dollar vor der Lehman-Pleite im September 2008 auf heute rund zwei Billionen Dollar angestiegen ist. Das Gleiche gilt auch für den Euroraum. Auch hier steigt die Geldmenge rasant, obwohl diesem Anstieg kein vergleichbarer Warenwert gegenübersteht. Dieses Missverhältnis kann auf Dauer nicht gut gehen.

Mögliche Ausstiegsszenarien sind umstritten. »Eine Reform des internationalen Finanzsystems ist nötig«, beteuert selbst die Chefin der neuen schwarz-gelben Bundesregierung, Angela Merkel. Doch den starken Worten in Berlin, London oder Washington folgen keine rechten Taten. Dabei dürfte es auch im kommenden Jahr bleiben. Zu groß sind die nationalen Egoismen. So will die britische Regierung nicht ihren Finanzplatz, die Londoner City, durch zu hohe Auflagen schwächen.

Der kürzlich verstorbene Wirtschaftswissenschaftler Jörg Huffschmid, einer der wichtigsten linken Experten auf dem Gebiet der Finanzmärkte, würde den Ausblick auf 2010 wohl so zusammenfassen: Nach der Krise ist vor der Krise.

In den vergangenen Jahren verfasste der Bremer Ökonom Jörg Huffschmid mehrfach den Jahresrückblick/-ausblick Finanzmärkte im ND, der vor wenigen Wochen verstarb. Huffschmid analysiert die aktuelle Krise des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus im Buch: »Land in Sicht? Die Krise, die Aussichten und die Linke in Deutschland«, Papyrossa Verlag, 2009. Zu beziehen ist es auch im ND-Shop (Tel.: 030 / 29 78 17 77). ND

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