»Permanent kränkelndes Zugmaterial«
Pannenserie auf der Franken-Sachsen-Magistrale reißt nicht ab – die Bahn sieht die Schuld andernorts
Bayreuth. Oberbürgermeister Michael Hohl (CSU) spricht von »permanent kränkelndem Zugmaterial«. 2001 hatte die Festspielstadt Bayreuth in Bayern mit einer Dieselvariante des Neigetechnik-ICE endlich den Anschluss an das Fernverkehrsnetz der Deutschen Bahn geschafft. Doch nach einer Serie von Pleiten und Pannen wurden die Züge der Baureihe 605 nach nur zwei Jahren stillgelegt.
Eilends lackierte die Bahn 17 Regionaltriebwagen der Baureihe 612 in fernverkehrsweiß um. Doch auch der Einsatz der weißen Flitzer war nur von kurzer Dauer. Im August 2004 wurde an einem dieser Ersatz-ICE der Anriss einer Achse festgestellt und die Neigetechnik aus Sicherheitsgründen abgeschaltet. Als Ersatz für den Ersatz setzte die Bahn von Dezember 2004 an mit Dieselloks bespannte Intercity-Züge ein.
Rot umlackierte Wagen
Bayreuth blieb nur noch ein Zugpaar pro Tag. Um größere Verspätungen zu vermeiden, fuhren die übrigen Züge über die kürzere Strecke über Marktredwitz. Zwei Jahre später zog die Bahn endgültig einen Schlussstrich unter das Kapitel Fernverkehr auf der nicht elektrifizierten Strecke Nürnberg-Hof-Reichenbach, die über Chemnitz nach Dresden führt. 2007 begann das Kapitel »Franken-Sachsen-Express« (FSX), mit nun wieder rot lackierten Regionaltriebwagen und einem integrierten Taktfahrplan. Auch die Neigetechnik wurde wieder in Betrieb genommen. Sie ist Voraussetzung für kürzere Fahrzeiten auf den kurvenreichen Strecken in Franken und Sachsen.
Pest oder Cholera
Zwei Jahre und zehn Monate lief der FSX reibungslos. Die Fahrgäste waren zufrieden, die Bahn ob der guten Auslastung der Züge auch – bis zum 21. Oktober 2009: An jenem Tag wurden bei zwei Triebwagen der Baureihe 612 Probleme an der Antriebstechnik festgestellt. Aus Sicherheitsgründen wurde die Neigetechnik in Absprache mit dem Eisenbahnbundesamt bis zur Klärung der Ursache und der Behebung der Mängel bei allen 192 Fahrzeugen sowie bei der Vorgängerbaureihe 611 erneut abgeschaltet.
Verspätungen und verpasste Fernzüge in Nürnberg waren die Folge. »Wir bedauern die Situation«, räumt Uwe Domke, der Geschäftsführer von DB Regio Oberfranken, ein. Die Ursache sieht die Bahn bei den Fahrzeugherstellern und dem zunehmenden Kostendruck durch den Wettbewerb mit privaten Anbietern im Schienenverkehr. »Wir hatten nur die Wahl zwischen Pest und Cholera«, beschreibt Domke die kurzfristig notwendigen Änderungen zum Fahrplanwechsel am 13. Dezember. Bis dahin fuhr der Franken-Sachsen-Express im stündlichen Wechsel von Nürnberg über Bayreuth und Münchberg beziehungsweise Marktredwitz nach Hof und von dort weiter nach Dresden. Um den Stunden-Takt aufrechterhalten und Anschlüsse an die ICE in Nürnberg sicherstellen zu können, fahren die Züge mit wenigen Ausnahmen wieder ausschließlich über die zehn Minuten kürzere Strecke über Marktredwitz.
Bayreuth und Münchberg bleiben damit bis auf Weiteres von den Interregio-Expresszügen abgehängt. Es gehen auch schnelle Anschlüsse nach Berlin und Leipzig verloren. Einen Zeitpunkt für die Rückkehr zur Normalität auf der Franken-Sachsen-Magistrale kann auch die Bahn nicht nennen.
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