Zu zweit im Eis auf einer Insel

Das Ostsee-Eiland Ruden ist für Schiffe nicht mehr erreichbar. Die Bewohner bleiben gelassen

  • Martina Rathke, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Ruden ist eine kleine Ostseeinsel im Greifswalder Bodden. Das nur 0,3 Quadratkilometer große Eiland ist der Rest einer einstigen Landverbindung zwischen Usedom und Rügen. Zu DDR-Zeiten nutzen Grenzeinheiten die Insel, heute gibt es dort zwei ständige Bewohner. Seit Anfang der Woche ist Ruden vom Eis eingeschlossen.

Ruden. Vorsichtig tastet sich Ursula Todt wenige Meter auf das Eis vor »ihrer« Insel vor. Die Eisdecke ist dünn – fünf Zentimeter nur – doch mit den anhaltenden Minusgraden wird die Schicht von Tag zu Tag dicker. Im Hafen der kleinen Ostseeinsel Ruden ist es still. Am Dienstag hatte sich der Seenotkreuzer »Eugen« ein letztes Mal bis zu dem zwischen Rügen und Usedom gelegenen Eiland vorgekämpft, Post und Frischwasser gebracht. Danach schloss sich der Eispanzer auch im Hafen des Eilandes.

Die Verkehrsadern zum Festland sind seitdem gekappt – Ulla Todt und ihr Lebenspartner Conrad Marlow, die einzigen Bewohner, sind isoliert von der Außenwelt. Nicht nur für wenige Tage, sondern voraussichtlich für mehrere Wochen.

Bei einem Großstadtmenschen würden diese Aussichten wahrscheinlich Panikattacken auslösen. Die beiden »Robinsons« sehen indes der Eiszeit mit Gelassenheit entgegen. »Angst haben wir nicht«, sagt die 60-Jährige. Am Mittwochmorgen sahen die beiden den Reif auf den Bäumen glitzern. Eine Kegelrobbe aalte sich genüsslich vor der Südspitze der Insel. »Das Leben ist einfach nur traumhaft«, schwärmt Todt. Seit November hat sich das Paar auf einen Eiswinter vorbereitet. Ulla Todt kochte Rinderbraten, Schweinebraten, Gulasch sowie den geliebten Mecklenburger Rippenbraten und weckte das Essen ein.

Reserven bis zum März

Konservenfleisch mögen die beiden nach fünf Jahren Inselleben inzwischen nicht mehr essen. Im Keller lagern mehr als 50 Kilogramm Kartoffeln, vier Stiegen Äpfel, kiloweise Brotmehl. Strom wird über einen Generator erzeugt. Frischwasser lagert abgefüllt in 20-Liter-Kanistern in einem Nebengebäude. »Wir können den Winter bis März problemlos überstehen«, sagt Todt.

Die Isolation auf der Insel ist selbst gewählt. Jahrelang lebten der inzwischen 58-jährige Gaststättenbetreiber und seine Lebenspartnerin im mecklenburgischen Recknitztal nur für die Arbeit. Dann schlug das Schicksal zu: Conrad Marlow hatte Schmerzen, aber eine Hochzeitsfeier wollte er unbedingt noch ausrichten. Dann brach er bewusstlos zusammen. Die Ärzte diagnostizierten einen lebensbedrohlichen Magendurchbruch. Kurz darauf – im Jahr 2003 – traf das Paar eine Entscheidung, sein Leben radikal zu ändern. Sie hatten erfahren, dass der alte Ruden-Bewohner Eberhard Kästel die Insel verlassen wollte, und sie bewarben sich um dessen Nachfolge. Seit 2004 leben sie nun auf dem Eiland.

Bereut habe sie die Entscheidung zu keiner Sekunde, sagt Ulla Todt. Einen »Inselkoller« habe sie noch nie bekommen. Einsamkeit kennen die beiden nicht. Zwischen April und Oktober strömen jedes Jahr 14 000 Tagesausflügler auf die ehemalige Lotseninsel, die inzwischen der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gehört und seit dem Jahr 1925 unter Naturschutz steht.

Die Ruhe genießen

Das Paar, das in Personalunion als Hafenmeister und Naturschutzwart tätig ist und für das Wasser- und Schifffahrtsamt die Pegelstände abliest, hat dann alle Hände voll zu tun. Von dem Verdienst können sie ihr Leben auf der Insel finanzieren. Die Ruhe im Winter genießen die beiden dann umso mehr.

»Man muss sich schon gut verstehen, wenn man so eng aufeinander hockt«, sagt Ulla Todt. Doch an manchen Winterabenden gehen sich die beiden auch mal aus dem Weg, weniger eines Streits, sondern des Fernsehprogramms wegen. Dann schaut sie einen Film und er im Nachbarzimmer eine Nachrichtensendung.

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