Etikettenschwindel zum Kindesunterhalt

Veränderte »Düsseldorfer Tabelle« verspricht mehr, als geringverdienende Eltern zahlen können

  • Claus Dümde
  • Lesedauer: 3 Min.
Parallel zur Erhöhung der Kinderfreibeträge, von der nur Besserverdienende profitieren, wurden zum 1. Januar auch die Richtsätze für den Kindesunterhalt um durchschnittlich 13 Prozent angehoben. Ein Etikettenschwindel: Denn viele Unterhaltspflichtige können das gar nicht zahlen.

»Millionen Scheidungs- und Trennungskinder erhalten in diesem Jahr deutlich mehr Unterhalt«, lauteten die Schlagzeilen zu Jahresbeginn. Anlass der entsprechenden dpa-Meldung: Das dafür zuständige Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte am Mittwoch die korrigierte »Düsseldorfer Tabelle« veröffentlicht. Sie weist rückwirkend ab 1. Januar deutlich höhere Beträge für die Unterhaltszahlungen aus, die Kinder und Jugendliche in Ausbildung von einem getrennt von ihnen lebenden Elternteil erhalten sollen. Sie beginnen bei 317 Euro für bis zu Fünfjährige, deren Vater oder Mutter bis 1500 Euro netto pro Monat haben, und endet bei stolzen 781 Euro für über 18-Jährige, deren unterhaltspflichtiger Elternteil über mehr als 4700 Euro verfügt.

Für letztere wäre das jeden Monat ein Feiertag, wenn der Betrag eingeht. Ganz anders sieht das bei Sprösslingen von Geringverdienern aus. Denn denen steht ein »Selbstbehalt« von 900 Euro zu, so dass der Rest selbst bei 1200 Euro netto nicht mal für den Mindestunterhalt ausreicht. Die OLG-Richter weisen daher darauf hin, dass ihre Tabelle »keine Gesetzeskraft« hat, sondern nur »eine Richtlinie« sei: Sie weise »den monatlichen Unterhaltsbedarf« aus.

Wie der gedeckt wird, ist dem Gesetzgeber schnuppe. Das zeigt sich nicht nur bei »Hartz-IV«-Kindern, denen auch die Kindergelderhöhung ab 1. Januar wieder vom ohnehin grundgesetzwidrig zu gering bemessenen Regelsatz abgezogen wird. Auch die OLG-Juristen haben für unterhaltsberechtigte Kinder von Geringverdienern eine kongeniale »Lösung« parat: Im mit »Mangelfälle« überschriebenen Teil C ihrer Richtlinie heißt es: »Reicht das Einkommen zur Deckung des Bedarfs des Unterhaltspflichtigen und der gleichrangigen Unterhaltsberechtigten nicht aus (sog. Mangelfälle), ist die nach Abzug des notwendigen Eigenbedarfs (Selbstbehalts) des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die Unterhaltsberechtigten… gleichmäßig zu verteilen.« Im mitgelieferten Beispiel sieht das Ergebnis so aus: Bei 1300 Euro Nettoeinkommen eines Unterhaltspflichtigen mit drei unterhaltsberechtigten Kindern bekommt ein/e 18-Jährige/r nur 152,38 statt der als »Bedarf« ausgewiesenen 488 Euro, ein/e 7-Jährige/r 136,34 statt 364 Euro und ein/e 5-Jährige/r 111,28 statt 317 Euro – nicht mal oder kaum mehr als ein Drittel des anerkannten Bedarfs!

Wessen Eltern arm sind, wird auch beim Unterhalt diskriminiert. Und die zahlungspflichtigen Väter oder Mütter haben überdies meist noch Ärger und (Rechts-)Streit mit der oder dem Ex-Partner/in. Denn die erwarten nach Lektüre der zitierten dpa-Meldung und den neuen Sätzen der »Düsseldorfer Tabelle« verständlicherweise deutlich mehr Unterhalt für die Kinder. Doch die Unterhaltspflichtigen haben durch die Rechenkunststücke von OLG-Juristen ja nicht plötzlich 13 Prozent mehr Geld. Angesichts von Kurzarbeit und durch Entlassungsdrohungen erzwungenem Lohnverzicht sind die Arbeitseinkommen spürbar gesunken.

Angesichts dessen betonte der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV), dass die Tabellenbeträge weder mit der realen Wirtschaftslage und der Lohnentwicklung korreliert noch mit den realen Einkommen der Alimentenzahler/innen. ISUV lehnt die Koppelung von Bedarfssätzen und Kinderfreibetrag ab. »Wir wollen, dass die individuelle Leistungsfähigkeit der Alimentenzahler und die individuelle Bedürftigkeit überprüft wird«, forderte ISUV-Vorsitzender Josef Linsler. »Wenn es nur irgendwie geht, sollten sich die Ehemaligen einigen, nicht vor den Kadi ziehen, das spart Kosten und schont die Nerven.

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