Zockerei im Wasserwerk

Wegen der riskanten Geheimgeschäfte zweier Ex-Manager droht der Stadt Leipzig ein Millionenverlust

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
In Leipzig sind die Geschäftsführer der Wasserwerke gefeuert worden. Ihnen werden geheime Finanzspekulationen vorgeworfen.

Vier Augen sehen mehr als zwei – dieses Prinzip gilt auch bei den Kommunalen Wasserwerken Leipzig (KWL). Um zu verhindern, dass ein Chef fehlerhafte Entscheidungen trifft oder sich am Unternehmen schadlos hält, gibt es zwei Geschäftsführer. Derzeit erlebt die erschrockene Leipziger Öffentlichkeit indes, dass auch vier Augen nicht zu trauen ist, wenn sich diese gemeinsam blenden lassen.

Andreas Schirmer und Klaus Heininger, die beiden KWL-Geschäftsführer, haben mit riskanten Geschäften offenbar Millionenrisiken für das städtische Unternehmen heraufbeschworen, weswegen sie im Dezember zunächst beurlaubt und jetzt fristlos entlassen wurden. Das Vier-Augen-Prinzip, stellte SPD-Oberbürgermeister Burkhard Jung fest, habe »völlig versagt«. Auf die Spur der fatalen Geschäfte kamen Kontrolleure bei einer Tiefenprüfung in der KWL, die im Oktober eingeleitet wurde. Sie stießen dabei auf ein Konto in London, über das äußerst spekulative Transaktionen abgewickelt wurden. Dabei handelt es sich um so genannte Derivatgeschäfte.

Die KWL-Manager sollen einer Schweizer Bank Kreditrisiken im Umfang von 250 Millionen Euro abgekauft haben. Sie hätten, sagt Jung, »Versicherer gespielt«, kassierten eine Prämie von 40 Millionen Euro und hofften vermutlich auf satte Gewinne. Das Gegenteil trat ein: Wahrscheinlich wird die KWL für Verluste aus den Geschäften zur Kasse gebeten. Erste Ausfälle, wird Jung von der »Leipziger Internet-Zeitung« zitiert, erwarte er »schon im I. Quartal 2010«.

Versicherungen gehören eigentlich nicht zum Geschäft der KWL. Das Unternehmen mit 580 Beschäftigten, an dem neben der Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (LVV), einer Holding für die kommunalen Firmen Leipzigs, auch der Abwasser-Zweckverband WALL aus dem Umland der Stadt beteiligt ist, soll sauberes Trinkwasser bereitstellen und Abwasser klären. Die Geschäftsführer aber agierten in trüben Gewässern, indem sie viel Geld im Finanzcasino setzten. Gewusst hat davon niemand: Die Geschäfte seien an allen Kontrollgremien vorbei praktiziert worden, heißt es. WALL-Vorsitzender Holger Schirmbeck sagte, er sei entsetzt über den Abschluss der ausdrücklich untersagten und hoch riskanten Geschäfte »und die Verheimlichung derselben«. Über die Gründe für das heikle Engagement wird bislang nur spekuliert. Ein Viertel der Prämie soll genutzt worden sein, um ältere Crossborder-Leasing-Verträge besser abzusichern.

Im Rahmen dieser in Leipzig populären, aber ebenfalls riskanten Geschäfte waren eine Kläranlage und das Wasserleitungsnetz im Wert von 214 Millionen Euro an einen US-Investor verleast und umgehend zurückgemietet worden. Der Verbleib von 30 Millionen Euro aus dem jetzigen Deal, so schreibt die Leipziger Volkszeitung, sei bislang »ungeklärt«.

Unklar ist auch, wie teuer die Geschäfte der entlassenen Geschäftsführer für die KWL und die Stadt werden. Von einem Ausfallrisiko »im dreistelligen Millionenbereich« ist im Rathaus die Rede, wo Strafanzeige erstattet wurde; zudem bemüht sich eine Ermittlungsgruppe um Aufklärung. Wird die KWL zur Kasse gebeten, müssen Rücklagen angegriffen werden; zudem kann die Stadt nicht mehr mit Zuflüssen vom Wasserbetrieb in das Stadtsäckel rechnen. Zuletzt hatte das Unternehmen rund 20 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet – Geld, mit dem etwa der städtische Nahverkehr subventioniert wurde.

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