SPD auf Hessen-Gipfel
Positionspapier zur Revision der Hartz-Gesetze
Obwohl das Papier pro forma einer »rückwärtsgewandten« Generalkritik an den Hartz-Reformen eine Absage erteilt, nahm Hessens SPD-Generalsekretär Michael Roth in der öffentlichen Kommentierung kein Blatt vor den Mund: Die Hartz-Gesetze haben der SPD »nachhaltig geschadet« und sind »in der Arbeitnehmerschaft als ungerecht und leistungsfeindlich angekommen«. In der Analyse lässt das Papier kaum ein gutes Haar an der Reform. Und in diesem Jahr, so fügte Roth augenzwinkernd hinzu, habe sich die Agenda 2010 ohnehin »erledigt«. Die »Hartz IV-Reform« habe zwar »erfolgreich den Anspruch auf Grundsicherung auf einen größeren Personenkreis ausgeweitet und den Grundsatz der »Hilfe aus einer Hand« verankert.« Doch auch wenn die Anzahl der Langzeitarbeitslosen statistisch zurückgegangen sei, habe Hartz wenig mehr als eine Zunahme von Leiharbeit und prekärer Beschäftigung bewirkt. Als Hauptverlierer der Reform werden jedoch vor allem die Berufstätigen gesehen, die unverschuldet arbeitslos wurden und die nun mit Leuten gleichgestellt sind, die »nie gearbeitet haben«.
Die hessische SPD will daher die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I auf bis zu 36 Monate verlängern. Die Dauer der Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung soll wieder ein entscheidendes Kriterium für die Höhe der Leistungen werden. Auch bei der Rente mit 67 sind Korrekturen vorgesehen; wer 45 Beitragsjahre aufweisen kann soll »abschlagsfrei« aufs Altenteil gehen können. Kombiniert wird dies mit der Forderung nach dem Mindestlohn und einer Ausbildungsplatzgarantie für alle Jugendlichen, »falls nötig finanziert durch eine solidarische Ausbildungsplatzumlage oder mittels Branchenfonds«. Diese arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sollen mit einem »Bildungsaufbruch« einher gehen. Dazu gehört ein flächendeckendes Netz von Ganztagsschulen und Kitas. Das ALG I soll für Umschulungen auf bis zu 24 Monate verlängert werden.
Dieses Papier zeigt ziemlich klar die Grenzen eines Linksschwenks der Sozialdemokratie in der Sozialpolitik. Denn die beabsichtigten Korrekturen machen dort halt, wo es um die gröbsten Hartz-IV-Ungerechtigkeiten geht. Schikanen und bürokratische Bevormundung von Leistungsbeziehern spielen ebenso wenig eine Rolle, wie die immer wieder von Sozialverbänden erhobene Forderung, die Regelsätze zu erhöhen. So blickt die SPD von den lichten Höhen ihres Hessen-Gipfels vornehm über diejenigen hinweg, die mit und durch Hartz IV in Armut leben müssen. Sie konzentriert ihre Hartz-IV-Kritik auf die »Verletzung des Leistungsprinzips« nicht auf das Thema Armut. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, verlangte dagegen von der Bundesregierung, eine bedarfsgerechte Erhöhung der Regelsätze, »besonders bei Kindern«. Außerdem müsse »rasch wieder die Möglichkeit geschaffen werden, große einmalige Belastungen, etwa den Kauf von Haushaltsgeräten, von Sozialämtern zu finanzieren«.
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