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Neues Selbstbewusstsein
Die postkoloniale Entwicklung in Afrika – eine Analyse
Afrika ist zurück auf der Weltbühne – bei aller Ambivalenz von Krisen, Konflikten und Hoffnung. Daran kommen selbst die G 8 nicht vorbei. Zeit für den Versuch nüchterner Analyse und eines Ausblicks. In seinem Buch über Misere und Zukunft Afrikas spannt Helmut Matthes den Bogen weit und schließt auch internationale Entwicklungspolitik sowie die Politik der EU und Deutschlands gegenüber Afrika ein. Matthes weiß wovon er spricht. Als langjähriger Hochschullehrer und Diplomat in Afrika verbindet er theoretische Kenntnisse mit praktischen Afrikaerfahrungen.
Sachlich, kritisch und vorurteilsfrei spricht der Autor die Probleme an, ungeschminkt und ohne Verabsolutierungen. Afrika ist für ihn Subjekt, nicht nur Objekt weltwirtschaftlicher Entwicklung, und er lässt auch afrikanische Wissenschaftler zu Wort kommen.
Ausgangspunkt ist die Auseinandersetzung mit bestehenden Afrikabildern, wo er gegen Afro-Pessimismus argumentiert, ohne selbst in das Gegenteil zu verfallen. In den aktuellen Verhandlungen afrikanischer Staaten mit der EU erkennt Matthes ein gewachsenes Selbstbewusstsein der Afrikaner. Er setzt sich mit Thesen einer dominanten kritikbetonten Linie deutscher Afrikawissenschaftler auseinander. Das birgt die Gefahr in sich, dass von deren Apologeten überbetonte und vom Autor durchaus erkannte und benannte kritische Aspekte in den Hintergrund geraten.
Matthes ist um eine differenzierte Sichtweise bemüht und widerspricht vereinfachenden Zuordnungen afrikanischer Entwicklungsprozesse zu westlich tradierten Schemata. NEPAD, die Neue Partnerschaft der Afrikanischen Entwicklung, ist eben nicht das Bekenntnis zur neoliberalen Entwicklung. Er sieht NEPAD als Ausdruck neuen afrikanischen Denkens und Verhaltens, angelegt als politischer Orientierungsrahmen einer neuen Entwicklungsetappe, und als ein Beispiel für die Suche nach neuen Entwicklungswegen. Dabei wird konzediert, dass bestehende Abhängigkeiten zu Kompromissen zwingen. In seiner Einschätzung von NEPAD sieht sich Matthes auch nicht durch Frustrationen eines ihrer Gründer, des senegalesischen Präsidenten Wade, widerlegt.
Ausführlich geht das Buch auf die Afrikapolitik der Europäischen Union ein. Dabei werden Sonderinteressen der EU in Afrika herausgearbeitet. Diese orientieren sich zwar an UN, G 8 und den Bretton Woods Institutionen, gehen aber eigene Wege, die vom Autor kritisch hinterfragt werden. Dazu gehören auch die Verhandlungen zu Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA). Die ausgeprägte europäische Interessenpolitik kollidiert mit der heftig beschworenen Partnerschaft zwischen Europa und Afrika. Bei aller Kritik an der EU-Afrikapolitik bescheinigt Matthes ihr, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Seine kritische Analyse der deutschen Afrikapolitik zitiert eine 30-jährige Kontinuität von Versprechungen, hebt aber auch positive Ansätze des BMZ hervor. Obwohl die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf Afrika noch nicht übersehbar sind, greift der Autor bereits einige ihrer aktuellen Probleme auf.
Betont werden die Bedeutung von Frieden und politischer Stabilität für Afrikas gesellschaftliche Entwicklung. Durch das Buch zieht sich die Auseinandersetzung mit Schablonen teilweise noch der alten Ost-West-Konfrontation, so im Umgang mit Chinas Afrikapolitik. Auch Einschätzungen von Demokratisierungsprozessen gehen oft an Erfordernissen und Realitäten Afrikas vorbei, wie Matthes faktenreich beweist. Er sieht durchaus Veränderungen im westlichen Herangehen, denen jedoch die fortgesetzte neoliberale Grundorientierung Grenzen setzt. Zu Recht kritisiert er die Ersetzung des Völkerrechtsprinzips der Nichteinmischung durch eine Orientierung auf militärische Interventionen. Offen bleibt, inwieweit Grenzfälle bei Legitimierung durch die UNO ein militärisches Eingreifen als ultima ratio notwendig machen (Rwanda, Somalia).
Zuzustimmen ist Matthes, dass die Afrikaner selbst Voraussetzungen für eine auf Afrika orientierte, von dessen Interessen bestimmte Wirtschaftspolitik schaffen müssen. Der Autor sieht hier bereits Ansätze. Für die Entwicklungspolitik konstatiert er eine Trendwende, aber noch nicht deren Nachhaltigkeit. Mit Fakten wird die positive Entwicklung der letzten Jahre unterstrichen, Fehlentwicklungen seien vor allem äußeren Einflüssen geschuldet.
Dieses Buch ist eine sehr aktuelle Bestandsaufnahme mit reichhaltigem Faktenmaterial und aussagekräftigen Statistiken. Matthes ist sachlich und parteilich, für Afrika und dessen Entwicklung. Sein Credo: »Es gilt weiterhin Vertrauen in die afrikanischen Staaten zu setzen und in der Welt für eine neue Entwicklungspolitik zu werben, die Afrika nicht zum verlorenen Kontinent werden lässt, sondern Hoffnung für die Zukunft rechtfertigt. Dabei muss Afrika sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen.«
Helmut Matthes: Misere und Zukunft des subsaharischen Afrika. Südwestdeutscher Verlag für Hochschulschriften 2009. 168 S., br., 89 €.
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