Guttenberg will mehr »Helden« am Hindukusch

SPD beruft sich auf Brandts Friedensappell und zögert dennoch den Rückzug deutscher Truppen aus Afghanistan hinaus

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will in der Bundesregierung eine Aufstockung der deutschen Afghanistan-Truppe möglichst um 1500 Soldaten durchsetzen.

Das meldete gestern dpa und berief sich auf hohe Angehörige des Ministeriums. Diese Zahl entbehre jeder Grundlage, dementierte ein Sprecher halbherzig und ließ so Raum für weitere Spekulationen.

Schon seit Jahresbeginn und speziell nach der Kritik des ISAF-Kommandeurs Stanley McCrystal am Einsatz der Bundeswehr gibt es Spekulationen, zu Guttenberg wolle die Anzahl der deutschen Soldaten in Afghanistan auf 6000 erhöhen. Am Freitag im ARD-Morgenmagazin hatte der Minister eingeräumt, es sei nicht auszuschließen, mehr als die bislang 4500 Soldaten zu schicken.

Gleichfalls am Freitag hatte die SPD zu einer Afghanistan-Konferenz geladen. In seinem Schlusswort bezog sich der Chef der SPD-Bundestagsfraktion Frank-Walter Steinmeier auf einen Gedanken des Partei-Übervaters Willy Brandt: »Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden.« Gleichzeitig rechtfertigte er wie Parteichef Sigmar Gabriel den Einsatz am Hindukusch.

Allen Akteuren müsse jedoch klar sein, dass das militärische Engagement nur zeitlich befristet sein könne. Es gelte daher, mit der Regierung in Kabul einen entsprechenden Fahrplan auszuarbeiten. Für den Rückzug der deutschen Truppen hat Gabriel »den Zeitkorridor 2013 bis 2015« vorgeschlagen. Parallel zum angekündigten Abzug erster US-Einheiten im Jahr 2011 solle auch der Rückzug des deutschen Kontingents beginnen. In einem von Gabriel und Steinmeier vorgelegten Positionspapier wird eine Aufstockung deutscher »Kampftruppen« ausgeschlossen. Man gehe davon aus, dass innerhalb der bestehenden Mandatsobergrenze von 4500 Soldaten »durch Umschichtung mehr und bessere Ausbildung möglich ist«, sagte Gabriel. Geprüft werden soll, ob die deutschen Tornado-Flugzeuge nicht durch Kräfte anderer Staaten abgelöst werden könnten. Gleichzeitig wird in dem Papier gefordert, die von Deutschland zur Verfügung gestellten Mittel für den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan zu verdoppeln.

Der Regierung warf Gabriel vor, sie habe sich bisher nicht auf eine Strategie verständigen können. Die SPD sei nicht gegen eine gemeinsame Haltung mit Schwarz-Gelb. Sie wolle aber nicht für etwas vereinnahmt werden, über das nicht offen beraten worden sei.

»Mit Überschallgeschwindigkeit wirft die SPD ihre staatspolitische Verantwortung über Bord. Gestern noch hat die SPD Deutschland am Hindukusch verteidigt – heute kann es mit dem Abzug gar nicht schnell genug gehen«, spottete Christian Ruck, Entwicklungspolitik-Experte der Union im Bundestag.

Es sei »erfreulich«, dass die gesellschaftliche Debatte der letzten Wochen und die wachsende öffentliche Kritik am Krieg in Afghanistan jetzt auch die SPD erreicht hat, lobte dagegen Christine Buchholz vom LINKE-Parteivorstand. Doch sie kritisierte die geplante Abzugsfrist bis 2015. Damit, dass die SPD den Rückzug abhängig mache vom Verhalten anderer NATO-Staaten, schiebe sie den Abzug »auf die lange Bank«. Die Linkspartei bleibe dabei: »Die Bundeswehr muss abziehen, bedingungslos und noch in diesem Jahr.« Mit einer Aufstockung des Kontingents »würde sich Afghanistan noch weiter vom Frieden entfernen«, kommentierte Jan van Aken, Vizechef der Bundestags-Linksfraktion. Peter Strutynski vom Friedensratsschlag kritisierte, die SPD habe die Friedensbewegung nicht zur Beratung geladen und tue so, »als wäre die Fortsetzung des Kriegs ohne Alternative«.

Die Regierung will am Montag ihre Position zur Londoner Afghanistan-Konferenz festlegen. Bei Kanzlerin Merkel treffen sich Außenministerer Westerwelle (FDP), Verteidigungsminister Guttenberg (CSU), Innenminister de Maizière (CDU) und Entwicklungsminister Niebel (FDP). Seite 6

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