Digitale Bücher-Flunder
Apple stellt Multimedia-Computer medienwirksam vor
»So bauen sie Ihr eigenes iPad« – der Hype um Produkte des kalifornischen Konzerns Apple treibt immer buntere Blüten. Die Nachbauempfehlung der neusten Entwicklung – eines Multimediagerätes mit einem berührungssensiblen Bildschirm – zeigt auch das Grundproblem der Mitbewerber auf: Computer, Musikspielgeräte und Mobiltelefone gibt es von vielen Herstellern, teilweise fast baugleich mit den Apple-Versionen – doch keinem gelingt es so gut wie Steve Jobs, banale Elektronik in eine Art Ersatzreligion für moderne Menschen zu verwandeln.
Eine Boulevard-Zeitung räumte eine Doppelseite frei, färbte diese komplett scharz ein, stellte Jobs mit einem iPad in den Mittelpunkt und fragte »Haben wir bald alle dieses Brett vorm Kopf?« Als bezahlte Anzeige hätte diese Präsentation mit rund 150 000 Euro zu Buch geschlagen, es war ja aber »objektive« redaktionelle Berichterstattung.
Steve Jobs startete Mitte der 1970er die Firma in einer sprichwörtlichen Garage des späteren Silicon Valley und verfolgt auch mehr als drei Jahrzehnte später die Philosophie, elektronische Geräte sollten das Leben ihrer Nutzer zumindest erleichtern und bestenfalls bereichern. Prototypen neuer Produkte werden von jedem unnützen Knopf und Reglern »befreit«, Software so programmiert, dass man kaum noch eine Gebrauchsanleitung benötigt. »Denke anders« riefen Plakate vor mehr als einem Jahrzehnt den Verbrauchern entgegen, und obwohl der Konzern heute fast die gleiche Dimension wie der frühere Branchen-Goliath Microsoft erreicht hat, konnte man das Image eines wagemutigen David konservieren.
Mit der Multimediatafel iPad könnte Jobs einmal mehr tun, was er mit seinen Leuten am besten beherrscht: Aus Standard-Bauteilen neue Geräte kreieren, die sich durch Nutzerfreundlichkeit und minimalistisches Design auszeichnen. Diese Kombination wandelt scheinbar banale Technik in Verkaufsschlager, Ideen von Bastlern wandern aus dem Avantgarde-Reservat ins grelle Scheinwerferlicht.
Verleger von Zeitungen und Büchern hoffen, dass sich der digitale Vertriebsweg für gedruckte Produkte durchsetzt. Internethändler Amazon konnte vom »Kindle« genannten Bücherlesegerät immerhin 2,5 Millionen Exemplare verkaufen – zu einem Preis von rund 500 Euro und mit einem Bildschirm, der erworbene Bücher karg in schwarz-weiß darstellt. Mit einem Anteil von rund 60 Prozent beherrscht man souverän den Markt. Die gemütlichen Zeiten sind vorbei: Der Konzern stritt über Preiskonditionen mit dem Macmillan-Verlag – einem der fünf großen US-amerikanischen Verlage und eine Holtzbrinck-Tochter – und räumte in großer Pose sämtliche Macmillan-Angebote aus seinen digitalen Regalen, musste aber schon einen Tag danach kleinmütig beigeben. Viele Kommentare sehen mit dem Markteintritt Apples ein Ende des Quasi-Monopols bei den sogenannten E-Books. Während Amazon den Verlagen die Hälfte des Preises eines herkömmlichen Buches überweist, begnügt sich Apple mit der Buchhändlermarge von 30 Prozent.
Mit dem 24,28 langen und 1,34 Zentimeter hohen iPad soll nun Farbe in die digitale Lesewelt einziehen und ein Massengeschäft gelingen. Mit dem tafelförmigen Rechner kann man neben Büchern und Zeitungen auch Filme ansehen oder seine Fotosammlung durchblättern, Musik hören oder Computerspiele nutzen. Restaurant- oder Zugverbindungsuche – kein Problem, denn mehr als 140 000 kleine Programme names »app« lassen kaum einen Nutzer-Wunsch offen. Das Gerät wiegt rund 700 Gramm und soll mit einem Basispreis von unter 500 Euro die Konkurrenz preisaggressiv angreifen.
Konkurrenzprodukte – wie etwa das von Microsoft-Chef Steve Ballmer präsentierte Modell HP Slate – können teilweise deutlich mehr, der Digital-Tafel fehlt manchem eine Web-Kamera, andere vermissen neben dem berührungssensitiven Bildschirm eine konventionelle Tastatur, viele hätten gern mehr Speicher und andere Batterien. Doch sogar das Christliche Medienmagazin Pro kommentierte die iPad-Vorstellung mit den Worten »und es war Freude unter den Apple-Jüngern«.
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