Ein Abend voller lustiger Protestanten
100-jähriges Jubiläum von epd führte Käßmann und Merkel zusammen – ohne eine ernste Berührung
Am Dienstagabend waren sie nicht ein einziges Mal zu sehen – die herabgezogenen Mundwinkel Angela Merkels. Sie hielt eine launige Festrede und fühlte sich offenbar zu Hause beim Gastgeber, dem epd. Auch die Nachrichtenagentur hatte allen Grund zur Fröhlichkeit, vor genau 100 Jahren war sie in Gestalt eines »Evangelischen Preßdienstes« in Wittenberg gegründet worden. Damit ist sie die älteste Nachrichtenagentur in Deutschland; vielleicht ließ das die Kanzlerin im säulenbewehrten Innenhof des ehemals kaiserlichen Postmuseums in Berlin so jugendlich erscheinen. Jedenfalls versicherten sich die Agenturvertreter und die Pastorentochter gegenseitig einer vom Glauben gestützten und damit schier unterschütterlichen Zuversicht. Ihre Mundwinkel hätten ohnehin keine Ursache in Freudlosigkeit, erläuterte Merkel, sondern in einer wohl genetischen Anlage, die auch schon 100 Jahre alt sei. Mindestens.
Der epd, zu dessen Kunden auch das ND gehört, verweist gemeinsam mit Angela Merkel auf ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland, das er seiner speziellen Verbindung zur Kirche verdankt. Die 80 Journalisten betrachten Themen aus dem Bereich der Entwicklungs-, der Flüchtlings- und der Sozialpolitik mit besonderer Sorgfalt. Merkel leitete aus der besonderen Stellung der Agentur gar die Aufgabe ab, eine »positive Grundeinstellung« in der Gesellschaft zu befördern. Nachdem sie den Redakteuren kurzerhand zudem aufgetragen hatte, das christliche Menschenbild zu befördern und zu Recht vermutete, dass dies für 80 Leute genug Arbeit für die nächsten 100 Jahre sein dürfte, verließ sie gut gelaunt das Rednerpult. Nein, freudlose Protestanten waren an diesem Abend nicht anzutreffen im Museum für Kommunikation in Berlin.
Eine merkwürdige Abstraktion im Licht der grün und blau illuminierten Säulengalerien bot sich da dem Betrachter – denn mehr als mit dem 100-jährigen Jubiläum des epd war die Kanzlerin in diesen Stunden doch mit dem eigenen, mit dem 100-tägigen Jubiläum ihrer Amtszeit seit der Vereidigung konfrontiert. Und anders als der Pressedienst, der beim Blick in den Spiegel auch die unrühmlichen Kapitel der Geschichte nicht verschweigt, die hurrapatriotische Rolle der Agentur im Ersten Weltkrieg und die mit dem völkischen Bazillus infizierten Inhalte während der Nazizeit, trübte nichts die Freude der Kanzlerin.
Dabei hatte die Ermahnung zu Demut und innerer Einkehr direkt neben ihr Platz genommen – in Person der EKD-Ratsvorsitzenden, Bischöfin Margot Käßmann, deren Kritik an dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan jüngst für erhebliche Aufregung sorgte. »Nichts ist gut in Afghanistan«, hatte sie in einer Predigt gesagt, und heftig war anschließend die Kritik über die Bischöfin hereingebrochen. Angela Merkel hatte sich ihr in typisch zurückhaltender Art angeschlossen. Die Kritik sei zu akzeptieren, weil sie der Kritik eines Teils der Kirche entspreche, so die erste Reaktion. In der »Welt am Sonntag« fügte sie später hinzu, so differenziert wie die EKD-Denkschrift zum Frieden sei Käßmanns Urteil nicht. Käßmann machte am Mittwoch gute Miene zum bösen Spiel. Später am Abend gar einen halben Rückzieher. Da lobte sie den epd – dieser wisse, was eine Predigt für ein Genre sei und was ein Satz darin für Gewicht habe. Da war die Kanzlerin schon weg.
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